Genfer Konvention

(Stand am 18. Juli 2014)

Die unterzeichneten Bevollmächtigten der Regierungen, die an der vom 21. April bis 12. August 1949 in Genf zur Ausarbeitung eines Abkommens für den Schutz der Zivilpersonen in Kriegszeiten versammelten diplomatischen Konferenz vertreten waren, haben folgendes vereinbart:

Teil 1 Allgemeine Bestimmungen

 

Die Hohen Vertragsparteien verpflichten sich, das vorliegende Abkommen unter allen Umständen einzuhalten und seine Einhaltung durchzusetzen.


 

Ausser den Bestimmungen, die bereits in Friedenszeiten zu handhaben sind, ist das vorliegende Abkommen in allen Fällen eines erklärten Krieges oder jedes anderen bewaffneten Konflikts anzuwenden, der zwischen zwei oder mehreren der Hohen Vertragsparteien entsteht, und zwar auch dann, wenn der Kriegszustand von einer dieser Parteien nicht anerkannt wird.

Das Abkommen ist auch in allen Fällen vollständiger oder teilweiser Besetzung des Gebietes einer Hohen Vertragspartei anzuwenden, selbst wenn diese Besetzung auf keinen bewaffneten Widerstand stösst.

Wenn eine der im Konflikt befindlichen Mächte am vorliegenden Abkommen nicht beteiligt ist, bleiben die daran beteiligten Mächte in ihren gegenseitigen Beziehungen gleichwohl durch das Abkommen gebunden. Sie sind aber durch das Abkommen auch gegenüber dieser Macht gebunden, wenn diese dessen Bestimmungen annimmt und anwendet.


 

Im Falle eines bewaffneten Konflikts, der keinen internationalen Charakter aufweist und der auf dem Gebiet einer der Hohen Vertragsparteien entsteht, ist jede der am Konflikt beteiligten Parteien gehalten, wenigstens die folgenden Bestimmungen anzuwenden:

1.
Personen, die nicht direkt an den Feindseligkeiten teilnehmen, einschliesslich der Mitglieder der bewaffneten Streitkräfte, welche die Waffen gestreckt haben, und der Personen, die infolge Krankheit, Verwundung, Gefangennahme oder irgendeiner anderen Ursache ausser Kampf gesetzt wurden, sollen unter allen Umständen mit Menschlichkeit behandelt werden, ohne jede Benachteiligung aus Gründen der Rasse, der Farbe, der Religion oder des Glaubens, des Geschlechts, der Geburt oder des Vermögens oder aus irgendeinem ähnlichen Grunde.
Zu diesem Zwecke sind und bleiben in bezug auf die oben erwähnten Personen jederzeit und jedenorts verboten:
a.
Angriffe auf Leib und Leben, namentlich Mord jeglicher Art, Verstümmelung, grausame Behandlung und Folterung;
b.
die Gefangennahme von Geiseln;
c.
Beeinträchtigung der persönlichen Würde, namentlich erniedrigende und entwürdigende Behandlung;
d.
Verurteilungen und Hinrichtungen ohne vorhergehendes Urteil eines ordnungsmässig bestellten Gerichtes, das die von den zivilisierten Völkern als unerlässlich anerkannten Rechtsgarantien bietet.
2.
Die Verwundeten und Kranken sollen geborgen und gepflegt werden.

Eine unparteiische humanitäre Organisation, wie das Internationale Komitee vom Roten Kreuz, kann den am Konflikt beteiligten Parteien ihre Dienste anbieten.

Die am Konflikt beteiligten Parteien werden sich anderseits bemühen, durch besondere Vereinbarungen auch die andern Bestimmungen des vorliegenden Abkommens ganz oder teilweise in Kraft zu setzen.

Die Anwendung der vorstehenden Bestimmungen hat auf die Rechtsstellung der am Konflikt beteiligten Parteien keinen Einfluss.


 

Durch das Abkommen werden die Personen geschützt, die sich im Falle eines Konflikts oder einer Besetzung zu irgendeinem Zeitpunkt und gleichgültig auf welche Weise in der Gewalt einer am Konflikt beteiligten Partei oder einer Besetzungsmacht befinden, deren Staatsangehörige sie nicht sind.

Die Angehörigen eines Staates, der durch das Abkommen nicht gebunden ist, werden durch das Abkommen nicht geschützt. Die Angehörigen eines neutralen Staates, die sich auf dem Gebiete eines kriegführenden Staates befinden, und die Angehörigen eines mitkriegführenden Staates werden so lange nicht als geschützte Personen betrachtet, als der Staat, dessen Angehörige sie sind, eine normale diplomatische Vertretung bei dem Staate unterhält, in dessen Machtbereich sie sich befinden.

Die Bestimmungen des Teils II haben hingegen einen ausgedehnteren, im Artikel 13 umschriebenen Anwendungsbereich.

Personen, die durch das Genfer Abkommen vom 12. August 19491 zur Verbesserung des Loses der Verwundeten und Kranken der bewaffneten Kräfte im Felde oder durch das Genfer Abkommen vom 12. August 19492 zur Verbesserung des Loses der Verwundeten, Kranken und Schiffbrüchigen der bewaffneten Kräfte zur See oder durch das Genfer Abkommen vom 12. August 19493 über die Behandlung der Kriegsgefangenen geschützt sind, werden nicht als im Sinne des vorliegenden Abkommens geschützte Personen betrachtet.


1 SR 0.518.12
2 SR 0.518.23
3 SR 0.518.42


 

Wenn eine am Konflikt beteiligte Partei wichtige Gründe hat, anzunehmen, dass eine durch das vorliegende Abkommen geschützte Einzelperson unter dem gerechtfertigten Verdacht steht, auf ihrem Staatsgebiet eine der Sicherheit des Staates abträgliche Tätigkeit zu entfalten, oder wenn festgestellt ist, dass sie tatsächlich eine derartige Tätigkeit ausübt, kann sich die betreffende Person nicht auf die durch das vorliegende Abkommen eingeräumten Rechte und Privilegien berufen, die, würden sie zugunsten dieser Person angewendet, der Sicherheit des Staates abträglich sein könnten.

Wenn in einem besetzten Gebiet eine durch das Abkommen geschützte Einzelperson als Spion oder Saboteur oder unter dem gerechtfertigten Verdacht festgenommen wird, eine der Sicherheit der Besetzungsmacht abträgliche Tätigkeit zu entfalten, können ihr, falls dies aus Gründen militärischer Sicherheit unbedingt erforderlich ist, die in diesem Abkommen vorgesehenen Mitteilungsrechte entzogen werden.

In jedem dieser Fälle sollen solche Personen dennoch mit Menschlichkeit behandelt werden und im Falle einer gerichtlichen Verfolgung darf ihnen ihr Recht auf ein gerechtes und ordentliches Verfahren, wie es das vorliegende Abkommen vorsieht, nicht entzogen werden. Ebenso sollen ihnen die vollen Rechte und Privilegien einer im Sinne des vorliegenden Abkommens geschützten Person wieder gewährt werden, sobald dies die Sicherheit des Staates oder der Besetzungsmacht gestattet.


 

Das vorliegende Abkommen findet mit Beginn jedes Konflikts oder jeder Besetzung, wie sie im Artikel 2 erwähnt sind, Anwendung.

Auf dem Gebiete der am Konflikt beteiligten Parteien hört die Anwendung des Abkommens mit der allgemeinen Einstellung der militärischen Operationen auf.

Im besetzten Gebiet hört die Anwendung des vorliegenden Abkommens ein Jahr nach der allgemeinen Einstellung der militärischen Operationen auf. Die Besetzungsmacht ist jedoch - soweit sie die Funktionen einer Regierung in dem in Frage stehenden Gebiet ausübt - während der Dauer der Besetzung durch die Bestimmungen der folgenden Artikel des vorliegenden Abkommens gebunden: 1-12, 27, 29- 34, 47, 49, 51, 52, 53, 59, 61-77 und 143.

Geschützte Personen, deren Freilassung, Heimschaffung oder Niederlassung nach diesen Fristen stattfindet, bleiben in der Zwischenzeit im Genusse des vorliegenden Abkommens.


 

Ausser den in den Artikeln 11, 14, 15, 17, 36, 108, 109, 132, 133 und 149 ausdrücklich vorgesehenen Vereinbarungen können die Hohen Vertragsparteien andere besondere Vereinbarungen über jede Frage treffen, deren besondere Regelung ihnen zweckmässig erscheint. Keine besondere Vereinbarung darf die Lage der geschützten Personen, wie sie durch das vorliegende Abkommen geregelt ist, beeinträchtigen oder die Rechte beschränken, die ihnen das Abkommen einräumt.

Die geschützten Personen geniessen die Vorteile dieser Vereinbarungen so lange, als das Abkommen auf sie anwendbar ist, vorbehaltlich ausdrücklicher gegenteiliger Bestimmungen, die in den oben genannten oder in späteren Vereinbarungen enthalten sind und vorbehaltlich günstigerer Massnahmen, die durch die eine oder andere der am Konflikt beteiligten Parteien hinsichtlich dieser Personen ergriffen worden sind.


 

Die geschützten Personen können in keinem Falle, weder teilweise noch vollständig, auf die Rechte verzichten, die ihnen das vorliegende Abkommen und gegebenenfalls die im vorhergehenden Artikel genannten besonderen Vereinbarungen einräumen.


 

Das vorliegende Abkommen ist unter der Mitwirkung und Aufsicht der Schutzmächte anzuwenden, die mit der Wahrnehmung der Interessen der am Konflikt beteiligten Parteien betraut sind. Zu diesem Zwecke können die Schutzmächte neben ihren diplomatischen oder konsularischen Vertretern Delegierte unter ihren eigenen Staatsangehörigen oder unter Staatsangehörigen anderer neutraler Mächte bezeichnen. Diese Delegierten müssen von der Macht genehmigt werden, bei der sie ihre Mission auszuführen haben.

Die am Konflikt beteiligten Parteien sollen die Aufgabe der Vertreter oder Delegierten der Schutzmächte in grösstmöglichem Masse erleichtern.

Die Vertreter oder Delegierten der Schutzmächte dürfen keinesfalls die Grenzen ihrer Aufgabe, wie sie aus dem vorliegenden Abkommen hervorgeht, überschreiten; insbesondere haben sie die zwingenden Sicherheitsbedürfnisse des Staates, in dem sie ihre Aufgabe durchführen, zu berücksichtigen.


 

Die Bestimmungen des vorliegenden Abkommens bilden kein Hindernis für die humanitäre Tätigkeit, die das Internationale Komitee vom Roten Kreuz oder irgendeine andere unparteiliche humanitäre Organisation mit Einwilligung der am Konflikt beteiligten Parteien ausübt, um die Zivilpersonen zu schützen und ihnen Hilfe zu bringen.


 

Die Hohen Vertragsparteien können jederzeit vereinbaren, die durch das vorliegende Abkommen den Schutzmächten übertragenen Aufgaben einer Organisation anzuvertrauen, die alle Garantien für Unparteilichkeit und erfolgreiche Arbeit bietet.

Wenn geschützte Personen aus irgendeinem Grunde nicht oder nicht von einer Schutzmacht oder einer in Absatz 1 vorgesehenen Organisation betreut werden, hat der Gewahrsamsstaat einen neutralen Staat oder eine solche Organisation zu ersuchen, die Funktionen zu übernehmen, die das vorliegende Abkommen den Schutzmächten überträgt, die von den am Konflikt beteiligten Parteien bezeichnet werden.

Sollte ein Schutz auf diese Weise nicht gewährleistet werden können, so hat der Gewahrsamsstaat entweder eine humanitäre Organisation, wie das Internationale Komitee vom Roten Kreuz, zu ersuchen, die durch das vorliegende Abkommen den Schutzmächten zufallenden humanitären Aufgaben zu übernehmen, oder aber unter Vorbehalt der Bestimmungen dieses Artikels die Dienste anzunehmen, die ihm eine solche Organisation anbietet.

Jede neutrale Macht oder jede Organisation, die von der betreffenden Macht eingeladen wird oder sich zu diesem Zweck zur Verfügung stellt, soll sich in ihrer Tätigkeit der Verantwortung gegenüber der am Konflikt beteiligten Partei, welcher die durch das vorliegende Abkommen geschützten Personen angehören, bewusst bleiben und ausreichende Garantien dafür bieten, dass sie in der Lage ist, die betreffenden Funktionen zu übernehmen und sie mit Unparteilichkeit zu erfüllen.

Von den vorstehenden Bestimmungen kann nicht durch eine besondere Vereinbarung zwischen Mächten abgewichen werden, von denen die eine, wenn auch nur vorübergehend, gegenüber der anderen oder deren Verbündeten infolge militärischer Ereignisse und besonders infolge einer Besetzung des gesamten oder eines wichtigen Teils ihres Gebietes, in ihrer Verhandlungsfreiheit beschränkt wäre.

Wo immer im vorliegenden Abkommen die Schutzmacht erwähnt wird, bezieht sich diese Erwähnung ebenfalls auf die Organisationen, die sie im Sinne dieses Artikels ersetzen.

Die Bestimmungen dieses Artikels sind auch auf Fälle von Angehörigen eines neutralen Staates, die sich in besetztem Gebiete oder im Gebiete eines kriegführenden Staates befinden, bei welchem der Staat, dessen Angehörige sie sind, keine normale diplomatische Vertretung unterhält, anzuwenden und ihnen anzupassen.


 

In allen Fällen, in denen die Schutzmächte es im Interesse der geschützten Personen als angezeigt erachten, insbesondere in Fällen von Meinungsverschiedenheiten zwischen den am Konflikt beteiligten Parteien über die Anwendung oder Auslegung der Bestimmungen des vorliegenden Abkommens, sollen sie zur Beilegung des Streitfalles ihre guten Dienste leihen.

Zu diesem Zwecke kann jede der Schutzmächte, entweder auf Einladung einer Partei oder von sich aus, den am Konflikt beteiligten Parteien eine Zusammenkunft ihrer Vertreter und im besondern der für das Schicksal der geschützten Personen verantwortlichen Behörden vorschlagen, gegebenenfalls auf einem passend gewählten neutralen Gebiet. Die am Konflikt beteiligten Parteien sind verpflichtet, den ihnen zu diesem Zwecke gemachten Vorschlägen Folge zu geben. Die Schutzmächte können, wenn nötig, unter Zustimmung der am Konflikt beteiligten Parteien eine einer neutralen Macht angehörende oder vom Internationalen Komitee vom Roten Kreuz delegierte Persönlichkeit vorschlagen, die zu ersuchen ist, an dieser Zusammenkunft teilzunehmen.

Teil II Allgemeiner Schutz der Bevölkerung vor gewissen Kriegsfolgen

 

Die Bestimmungen dieses Teiles beziehen sich auf die Gesamtheit der Bevölkerung der in einen Konflikt verwickelten Länder, ohne jede, besonders auf Rasse, Nationalität, Religion oder politische Meinung beruhende Benachteiligung, und zielen darauf ab, die durch den Krieg verursachten Leiden zu mildern.


 

Schon in Friedenszeiten können die Hohen Vertragsparteien, und nach der Eröffnung der Feindseligkeiten die am Konflikt beteiligten Parteien in ihrem eigenen und, wenn nötig, in den besetzten Gebieten Sicherheits- und Sanitätszonen und -orte schaffen, die so organisiert sind, dass sie Verwundeten und Kranken, schwachen und betagten Personen, Kindern unter fünfzehn Jahren, schwangeren Frauen und Müttern von Kindern unter sieben Jahren Schutz vor den Folgen des Krieges bieten.

Vom Ausbruch eines Konflikts an und während seiner Dauer können die beteiligten Parteien unter sich Vereinbarungen über die gegenseitige Anerkennung der von ihnen gegebenenfalls errichteten Zonen und Orte treffen. Sie können zu diesem Zwecke die Bestimmungen des dem vorliegenden Abkommen beigefügten Vereinbarungsentwurfes in Kraft setzen, und zwar mit den Abänderungen, die sie gegebenenfalls für notwendig erachten.

Die Schutzmächte und das Internationale Komitee vom Roten Kreuz werden eingeladen, ihre guten Dienste zu leihen, um die Errichtung und Anerkennung dieser Sicherheits- und Sanitätszonen und -orte zu erleichtern.


 

Jede am Konflikt beteiligte Partei kann entweder direkt oder durch Vermittlung eines neutralen Staates oder einer humanitären Organisation der gegnerischen Partei vorschlagen, in den Kampfgebieten neutrale Zonen zu schaffen, die dazu bestimmt sind, die folgenden Personen ohne jeglichen Unterschied vor den Gefahren des Krieges zu schützen:

a.
die verwundeten und kranken Kombattanten oder Nichtkombattanten;
b.
die Zivilpersonen, die nicht an den Feindseligkeiten teilnehmen und die sich während ihres Aufenthaltes in diesen Zonen keiner Arbeit militärischer Art widmen.

Sobald sich die am Konflikt beteiligten Parteien über die geographische Lage, die Verwaltung, die Versorgung mit Nahrung und die Kontrolle der in Aussicht genommenen neutralen Zone verständigt haben, soll eine schriftliche Vereinbarung geschlossen und von den Vertretern der am Konflikt beteiligten Parteien unterzeichnet werden. Diese Abmachung soll den Anfang und die Dauer der Neutralisation der Zone festsetzen.


 

Die Verwundeten und Kranken wie auch die Gebrechlichen und die schwangeren Frauen sollen Gegenstand eines besondern Schutzes und besonderer Rücksichtnahme sein.

Soweit es die militärischen Erfordernisse erlauben, soll jede am Konflikt beteiligte Partei die Massnahmen fördern, die ergriffen werden, um die Toten und Verwundeten aufzufinden, den Schiffbrüchigen sowie andern einer ernsten Gefahr ausgesetzten Personen zu Hilfe zu eilen und sie vor Beraubung und Misshandlungen zu schützen.


 

Die am Konflikt beteiligten Parteien sollen sich bemühen, örtliche Abmachungen für die Evakuierung von Verwundeten, Kranken, Gebrechlichen, Greisen, Kindern und Wöchnerinnen aus einer belagerten oder eingekreisten Zone zu treffen, sowie für den Durchzug der Geistlichen aller Bekenntnisse sowie des Sanitätspersonals und -materials, die sich auf dem Wege nach dieser Zone befinden.


 

Zivilspitäler, die zur Pflege von Verwundeten, Kranken, Schwachen und Wöchnerinnen eingerichtet sind, dürfen unter keinen Umständen das Ziel von Angriffen bilden; sie sollen jederzeit von den am Konflikt beteiligten Parteien geschont und geschützt werden.

Die an einem Konflikt beteiligten Staaten haben allen Zivilspitälern eine Bestätigung auszustellen, die ihre Eigenschaft eines Zivilspitals bezeugt und feststellt, dass die von ihnen benützten Gebäude nicht zu Zwecken gebraucht werden, welche sie im Sinne von Artikel 19 des Schutzes berauben könnten.

Die Zivilspitäler sollen, sofern sie vom Staate dazu ermächtigt sind, mit dem Schutzzeichen, das in Artikel 38 des Genfer Abkommens vom 12. August 19491 zur Verbesserung des Loses der Verwundeten und Kranken der Heere im Felde vorgesehen ist, gekennzeichnet sein.

Die am Konflikt beteiligten Parteien sollen, soweit es die militärischen Erfordernisse gestatten, die notwendigen Massnahmen ergreifen, um die die Zivilspitäler kennzeichnenden Schutzzeichen den feindlichen Land-, Luft- und Seestreitkräften deutlich sichtbar zu machen, damit auf diese Weise die Möglichkeit jeder Angriffshandlung ausgeschlossen wird.

Im Hinblick auf die Gefahren, denen Spitäler durch in der Nähe liegende militärische Ziele ausgesetzt sein könnten, ist es angezeigt, darüber zu wachen, dass sie soweit als möglich von solchen Zielen entfernt sind.


1 SR 0.518.12


 

Der den Zivilspitälern gebührende Schutz darf nur aufhören, wenn sie ausserhalb ihrer humanitären Aufgaben zur Begehung von Handlungen verwendet werden, die den Feind schädigen. Immerhin darf ihnen der Schutz erst entzogen werden, nachdem eine Warnung, die in allen Fällen, soweit angängig, eine angemessene Frist setzt, unbeachtet geblieben ist.

Die Pflege von verwundeten oder kranken Militärpersonen in diesen Spitälern oder das Vorhandensein von Handwaffen und von Munition, die diesen Personen abgenommen und der zuständigen Dienststelle noch nicht abgeliefert worden sind, gelten nicht als eine den Feind schädigende Handlung.


 

Das ordentliche und ausschliesslich für den Betrieb und die Verwaltung der Zivilspitäler bestimmte Personal, einschliesslich des mit dem Aufsuchen, der Bergung, dem Transport und der Behandlung von verwundeten und kranken Zivilpersonen, von Gebrechlichen und Wöchnerinnen beschäftigten Personals, soll geschont und geschützt werden.

In den besetzten Gebieten und in den militärischen Operationszonen soll sich das Personal mittels einer Identitätskarte ausweisen, die die Eigenschaft des Inhabers bescheinigt und mit seiner Photographie und dem Stempel der verantwortlichen Behörde versehen ist, sowie mittels einer während der Dauer der Dienstleistung am linken Arm zu tragenden gestempelten und feuchtigkeitsbeständigen Armbinde. Diese Armbinde soll vom Staat ausgegeben und mit dem in Artikel 38 des Genfer Abkommens vom 12. August 19491 zur Verbesserung des Loses der Verwundeten und Kranken der bewaffneten Kräfte im Felde vorgesehenen Schutzzeichen versehen sein.

Alles andere für den Betrieb oder die Verwaltung der Zivilspitäler bestimmte Personal soll geschont und geschützt werden und das Recht haben, unter den im vorliegenden Artikel umschriebenen Bedingungen während der Ausübung seines Dienstes die Armbinde zu tragen, wie sie oben vorgesehen ist. Seine Identitätskarte soll die Aufgaben angeben, die dem Inhaber übertragen sind.

Die Leitung jedes Zivilspitals hat jederzeit die auf den Tag nachgeführte Liste ihres Personals zur Verfügung der zuständigen nationalen Behörden oder Besetzungsbehörden zu halten.


1 SR 0.518.12


 

Geleitete Fahrzeuge oder Lazarettzüge zu Lande oder besonders ausgerüstete Schiffe zur See mit verwundeten und kranken Zivilpersonen, Gebrechlichen und Wöchnerinnen sollen auf gleiche Weise geschont und geschützt werden wie die in Artikel 18 erwähnten Spitäler. Sie kennzeichnen sich, indem sie mit Ermächtigung des Staates das in Artikel 38 des Genfer Abkommens vom 12. August 19491 zur Verbesserung des Loses der Verwundeten und Kranken der bewaffneten Kräfte im Felde vorgesehene Schutzzeichen führen.


1 SR 0.518.12


 

Die ausschliesslich für den Transport von verwundeten und kranken Zivilpersonen, von Schwachen und Wöchnerinnen oder für den Transport von Sanitätspersonal und -material verwendeten Luftfahrzeuge dürfen nicht angegriffen, sondern sollen geschont werden, wenn sie in Höhen, zu Stunden und auf Routen fliegen, die durch eine Vereinbarung unter allen in Betracht fallenden am Konflikt beteiligten Parteien besonders festgelegt wurden.

Sie können mit dem in Artikel 38 des Genfer Abkommens vom 12. August 19491 zur Verbesserung des Loses der Verwundeten und Kranken der bewaffneten Kräfte im Felde vorgesehenen Schutzzeichen versehen sein.

Wenn keine andere Abmachung besteht, ist das Überfliegen feindlichen oder vom Feinde besetzten Gebietes verboten.

Diese Luftfahrzeuge haben jedem Landebefehl Folge zu leisten. Im Falle einer so befohlenen Landung können das Luftfahrzeug und seine Insassen, gegebenenfalls nach einer Untersuchung, den Flug fortsetzen.


1 SR 0.518.12


 

Jede Vertragspartei soll allen Sendungen von Medikamenten und Sanitätsmaterial freien Durchlass gewähren, wie auch allen für den Gottesdienst notwendigen Gegenständen, die ausschliesslich für die Zivilbevölkerung einer andern Vertragspartei, selbst einer feindlichen, bestimmt sind. Auch allen Sendungen von unentbehrlichen Lebensmitteln, von Kleidern und von Stärkungsmitteln, die Kindern unter fünfzehn Jahren, schwangeren Frauen und Wöchnerinnen vorbehalten sind, ist freier Durchlass zu gewähren.

Eine Vertragspartei ist nur dann verpflichtet, die im vorhergehenden Absatz erwähnten Sendungen ungehindert durchzulassen, wenn sie die Gewissheit besitzt, keinen triftigen Grund zur Befürchtung haben zu müssen:

a.
die Sendungen könnten ihrer Bestimmung entfremdet werden oder
b.
die Kontrolle könnte nicht wirksam sein oder
c.
der Feind könnte daraus einen offensichtlichen Vorteil für seine militärischen Anstrengungen und seine Wirtschaft ziehen, indem er diese Sendungen an die Stelle von Waren treten lässt, die er auf andere Weise hätte beschaffen oder herstellen müssen, oder indem er Material, Erzeugnisse und Dienste freimacht, die andernfalls zur Produktion von solchen Gütern benötigt würden.

Die Macht, die die Durchfuhr der in Absatz 1 dieses Artikels erwähnten Güter gewährt, kann ihre Zustimmung von der Bedingung abhängig machen, dass die Verteilung an die Nutzniesser an Ort und Stelle von den Schutzmächten überwacht werde.

Diese Sendungen müssen so rasch als möglich befördert werden, und der Staat, der ihre ungehinderte Durchfuhr erlaubt, besitzt das Recht, die technischen Bedingungen festzusetzen, unter welchen diese gewährt wird.


 

Die am Konflikt beteiligten Parteien haben die notwendigen Massnahmen zu ergreifen, damit die infolge des Krieges verwaisten oder von ihren Familien getrennten Kinder unter fünfzehn Jahren nicht sich selbst überlassen bleiben und unter allen Umständen ihr Unterhalt, die Ausübung ihres Glaubensbekenntnisses und ihre Erziehung erleichtert werden. Letztere soff wenn möglich Personen der gleichen kulturellen Überlieferung anvertraut werden.

Die am Konflikt beteiligten Parteien sollen die Aufnahme dieser Kinder in neutralen Ländern während der Dauer des Konflikts und mit Zustimmung der allfälligen Schutzmacht sowie unter der Gewähr, dass die in Absatz 1 erwähnten Grundsätze berücksichtigt werden, begünstigen.

Ausserdem sollen sie sich bemühen, die notwendigen Massnahmen zu ergreifen, damit alle Kinder unter zwölf Jahren durch das Tragen einer Erkennungsmarke oder auf irgendeine andere Weise identifiziert werden können.


 

Jede auf dem Gebiete einer am Konflikt beteiligten Partei oder auf einem von ihr besetzten Gebiete befindliche Person soll den Familienmitgliedern, wo immer sie sich befinden, Nachrichten streng persönlicher Natur geben und von ihnen erhalten können. Diese Briefschaften sind rasch und ohne ungerechtfertigte Verzögerung zu befördern.

Ist der Austausch der Familienkorrespondenz mit der normalen Post infolge der Verhältnisse schwierig oder unmöglich geworden, sollen sich die betreffenden am Konflikt beteiligten Parteien an einen neutralen Vermittler, wie die in Artikel 140 vorgesehene Zentralstelle, wenden, um mit ihm die Mittel zu finden, die Erfüllung ihrer Verpflichtungen unter den besten Bedingungen zu gewährleisten, namentlich unter Mitwirkung der nationalen Gesellschaften des Roten Kreuzes (des Roten Halbmondes, des Roten Löwen mit roter Sonne).

Wenn die am Konflikt beteiligten Parteien es für nötig erachten, diese Familienkorrespondenz einzuschränken, können sie höchstens die Anwendung von einheitlichen Formularen vorschreiben, die 25 frei gewählte Wörter enthalten, und den Gebrauch dieser Formulare auf eine einmalige Sendung im Monat begrenzen.


 

Jede am Konflikt beteiligte Partei soll die Nachforschungen erleichtern, die vom Kriege zerstreute Familien anstellen, um wieder Verbindung miteinander aufzunehmen und sich wenn möglich wieder zu vereinigen. Sie soll namentlich die Tätigkeit von Organisationen fördern, die sich dieser Aufgabe widmen, unter der Voraussetzung, dass sie von ihr anerkannt sind und sich den von ihr ergriffenen Sicherheitsmassnahmen fügen.

Teil III Status und Behandlung der geschützten Personen

Abschnitt I Gemeinsame Bestimmungen für die Gebiete der am Konflikt beteiligten Parteien und die besetzten Gebiete

 

Die geschützten Personen haben unter allen Umständen Anspruch auf Achtung ihrer Person, ihrer Ehre, ihrer Familienrechte, ihrer religiösen Überzeugungen und Gepflogenheiten, ihrer Gewohnheiten und Gebräuche. Sie sollen jederzeit mit Menschlichkeit behandelt und namentlich vor Gewalttätigkeit oder Einschüchterung, vor Beleidigungen und der öffentlichen Neugier geschützt werden.

Die Frauen sollen besonders vor jedem Angriff auf ihre Ehre und namentlich vor Vergewaltigung, Nötigung zur Prostitution und jeder unzüchtigen Handlung geschützt werden.

Abgesehen von den bezüglich des Gesundheitszustandes, des Alters und des Geschlechts getroffenen Vorkehrungen sollen die geschützten Personen von der am Konflikt beteiligten Partei, in deren Händen sie sich befinden, mit der gleichen Rücksicht und ohne jede besonders auf Rasse, Religion oder politische Meinung beruhende Benachteiligung behandelt werden.

Immerhin können die am Konflikt beteiligten Parteien in bezug auf die geschützten Personen solche Kontroll- und Sicherheitsmassnahmen ergreifen, die sich zufolge des Kriegszustandes als notwendig erweisen könnten.


 

Keine geschützte Person darf dazu benützt werden, um durch ihre Anwesenheit militärische Operationen von gewissen Punkten oder Gebieten fernzuhalten.


 

Die am Konflikt beteiligte Partei, in deren Gewalt sich geschützte Personen befinden, ist verantwortlich für die Behandlung, die diese durch ihre Beauftragten erfahren, unbeschadet der gegebenenfalls entstehenden persönlichen Verantwortlichkeiten.


 

Die geschützten Personen sollen jede Erleichterung geniessen, um sich an die Schutzmächte, an das Internationale Komitee vom Roten Kreuz, an die nationalen Gesellschaften des Roten Kreuzes (des Roten Halbmondes, des Roten Löwen mit roter Sonne) des Landes, in welchem sie sich befinden, zu wenden, wie auch an jede andere Organisation, die ihnen behilflich sein könnte.

Diesen verschiedenen Organisationen soll zu diesem Zwecke innerhalb der durch militärische Erfordernisse oder Sicherheitsgründe gezogenen Grenzen von den Behörden jede Erleichterung gewährt werden.

Ausser den Besuchen der Delegierten der Schutzmächte und des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz, wie sie in Artikel 143 vorgesehen sind, sollen die Gewahrsamsstaaten oder Besetzungsmächte soweit als möglich die Besuche erleichtern, die Vertreter anderer Institutionen den geschützten Personen mit der Absicht zu machen wünschen, diesen Personen geistige oder materielle Hilfe zu bringen.


 

Auf die geschützten Personen darf keinerlei physischer oder moralischer Zwang ausgeübt werden, namentlich nicht, um von ihnen oder Drittpersonen Auskünfte zu erlangen.


 

Die Hohen Vertragsparteien verbieten sich ausdrücklich jede Massnahme, die körperliche Leiden oder die Ausrottung der in ihrer Gewalt befindlichen geschützten Personen versuchen könnte. Dieses Verbot betrifft nicht nur Mord, Folterung, körperliche Strafen, Verstümmelungen und medizinische oder wissenschaftliche, nicht durch ärztliche Behandlung einer Person gerechtfertigte Experimente, sondern auch alle andern Grausamkeiten, gleichgültig, ob sie durch zivile Beamte oder Militärpersonen begangen werden.


 

Keine geschützte Person darf für eine Übertretung bestraft werden, die sie nicht persönlich begangen hat. Kollektivstrafen wie auch jede Massnahme zur Einschüchterung oder Terrorisierung sind verboten.

Die Plünderung ist verboten.

Vergeltungsmassnahmen gegen geschützte Personen und ihr Eigentum sind verboten.


 

Das Nehmen von Geiseln ist verboten.

Abschnitt II Ausländer auf dem Gebiet einer der am Konflikt beteiligten Parteien

 

Jede geschützte Person, die zu Beginn oder im Verlaufe eines Konflikts das Gebiet zu verlassen wünscht, soll das Recht dazu haben, soweit ihre Ausreise den nationalen Interessen des Staates nicht zuwiderläuft. Über Ausreisegesuche solcher Personen soll in einem ordentlichen Verfahren befunden und die Entscheidung so rasch als möglich getroffen werden. Zur Ausreise ermächtigte Personen dürfen sich mit dem notwendigen Reisegeld versehen und eine ausreichende Menge von Effekten und persönlichen Gebrauchsgegenständen mit sich nehmen.

Die Personen, welchen die Erlaubnis zum Verlassen des Gebietes versagt wurde, haben Anspruch auf raschestmögliche Überprüfung dieser Ablehnung durch ein Gericht oder einen zu diesem Zwecke vom Gewahrsamsstaat geschaffenen zuständigen Verwaltungsausschuss.

Auf Ersuchen sollen den Vertretern der Schutzmacht, sofern keine Sicherheitsgründe entgegenstehen oder die Betroffenen Einwände erheben, die Gründe mitgeteilt werden, aus denen den Personen, die darum ersucht hatten, die Ermächtigung zum Verlassen des Gebietes verweigert wurde, und ebenso so rasch als möglich die Namen aller jener, die sich in einer solchen Lage befinden.


 

Die gemäss dem vorhergehenden Artikel bewilligten Ausreisen sollen in bezug auf Sicherheit, Hygiene, Sauberkeit und Ernährung unter zufriedenstellenden Bedingungen vor sich gehen. Alle damit in Zusammenhang stehenden Kosten sollen vom Verlassen des Gebietes des Gewahrsamsstaates an zu Lasten des Bestimmungslandes oder, im Falle des Aufenthaltes in einem neutralen Land, zu Lasten der Macht fallen, deren Angehörige die Begünstigten sind. Die praktische Durchführung dieser Reisen soll, wenn nötig, durch besondere Vereinbarungen unter den beteiligten Mächten geregelt werden.

Vorbehalten sind die besonderen Vereinbarungen, die gegebenenfalls zwischen den am Konflikt beteiligten Parteien bezüglich Austausch und Heimschaffung ihrer in die Hände des Feindes gefallenen Staatsangehörigen getroffen werden.


 

Die geschützten Personen, die sich in Untersuchungshaft befinden oder eine Freiheitsstrafe verbüssen, sollen während ihrer Haft mit Menschlichkeit behandelt werden.

Sie können nach ihrer Freilassung gemäss den vorhergehenden Artikeln um Verlassen des Gebietes nachsuchen.


 

Mit Ausnahme der besondern Massnahmen, die auf Grund des vorliegenden Abkommens, vor allem der Artikel 27 und 41, getroffen werden können, sollen auf die Lage der geschützten Personen grundsätzlich die für die Behandlung von Ausländern in Friedenszeiten geltenden Bestimmungen Anwendung finden. Auf jeden Fall sollen ihnen folgende Rechte gewährt werden:

1.
sie können die individuellen und kollektiven Unterstützungen empfangen, die ihnen zugehen;
2.
wenn ihr Gesundheitszustand es erfordert, sollen sie ärztliche Behandlung und Spitalpflege im gleichen Ausmass erhalten wie die Angehörigen des betreffenden Staates;
3.
sie können ihre Religion ausüben und den geistigen Beistand der Geistlichen ihres Glaubensbekenntnisses erhalten;
4.
wenn sie in einem den Kriegsgefahren besonders ausgesetzten Gebiet wohnen, sollen sie im gleichen Ausmass wie die Angehörigen des betreffenden Staates ermächtigt sein, dieses Gebiet zu verlassen;
5.
Kinder unter fünfzehn Jahren, schwangere Frauen und Mütter von Kindern unter sieben Jahren sollen im gleichen Ausmass wie die Angehörigen des betreffenden Staates jede Vorzugsbehandlung geniessen.

 

Den geschützten Personen, die infolge des Konflikts ihren Broterwerb verloren haben, soll die Möglichkeit geboten werden, eine bezahlte Arbeit zu finden. Sie sollen zu diesem Zwecke, unter Vorbehalt der Sicherheitserwägungen und der Bestimmungen des Artikels 40, dieselben Vorteile geniessen wie die Angehörigen der Macht, auf deren Gebiet sie sich befinden.

Wenn eine am Konflikt beteiligte Partei eine geschützte Person Kontrollmassnahmen unterwirft, die es dieser unmöglich machen, ihren Unterhalt zu verdienen, besonders wenn diese Person aus Gründen der Sicherheit keine bezahlte Arbeit zu angemessenen Bedingungen finden kann, soll die erwähnte am Konflikt beteiligte Partei für ihren Unterhalt und denjenigen der von ihr abhängigen Personen aufkommen.

Die geschützten Personen sollen in allen Fällen Beiträge aus ihrem Heimatland, von der Schutzmacht oder den in Artikel 30 erwähnten Wohltätigkeitsgesellschaften empfangen können.


 

Die geschützten Personen dürfen nur im gleichen Ausmass wie die Angehörigen der am Konflikt beteiligten Partei, auf deren Gebiet sie sich befinden, zur Arbeit gezwungen werden.

Wenn die geschützten Personen feindlicher Staatsangehörigkeit sind, dürfen sie nur zu Arbeiten gezwungen werden, die normalerweise zur Sicherstellung der Ernährung, der Unterbringung, der Bekleidung, des Transports und der Gesundheit menschlicher Wesen nötig sind und die nicht in direkter Beziehung mit der Führung der militärischen Operationen stehen.

In allen in den vorhergehenden Absätzen erwähnten Fällen sollen die zur Arbeit gezwungenen geschützten Personen die gleichen Arbeitsbedingungen und dieselben Schutzmassnahmen geniessen wie die einheimischen Arbeiter, namentlich was die Entlöhnung, die Arbeitsdauer, die Ausrüstung, die Vorbildung und die Entschädigung für Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten betrifft.

Im Falle der Verletzung der oben erwähnten Vorschriften sind die geschützten Personen ermächtigt, gemäss Artikel 30 ihr Beschwerderecht auszuüben.


 

Erachtet die Macht, in deren Händen die geschützten Personen sich befinden, die im vorliegenden Abkommen erwähnten Kontrollmassnahmen als ungenügend, so bilden Zuweisung eines Zwangsaufenthalts oder Internierung gemäss den Bestimmungen der Artikel 42 und 43 die strengsten Kontrollmassnahmen, zu welchen sie greifen darf.

Bei der Anwendung der Bestimmungen von Artikel 39 Absatz 2 auf Fälle von Personen, die zur Aufgabe ihres gewöhnlichen Wohnsitzes gezwungen sind auf Grund einer Entscheidung, die sie zu einem Zwangsaufenthalt an einem andern Orte nötigt, soll sich der Gewahrsamsstaat so peinlich als möglich an die Regeln für die Behandlung von Internierten (Teil III Abschnitt IV des vorliegenden Abkommens) halten.


 

Die Internierung der geschützten Personen oder die Zuweisung eines Zwangsaufenthalts an diese darf nur angeordnet werden, wenn es die Sicherheit der Macht, in deren Händen sich diese Personen befinden, unbedingt erfordert.

Wenn eine Person durch Vermittlung der Vertreter der Schutzmacht ihre freiwillige Internierung verlangt und wenn ihre Lage dies erfordert, soll die Internierung durch die Macht vorgenommen werden, in deren Händen sie sich befindet.


 

Jede geschützte Person, die interniert oder der ein Zwangsaufenthalt zugewiesen worden ist, hat ein Anrecht darauf, dass ein Gerichtshof oder ein zuständiger, zu diesem Zwecke vom Gewahrsamsstaat geschaffener Verwaltungsausschuss innert kürzester Frist die betreffende Entscheidung überprüft. Wird die Internierung oder die Zuweisung eines Zwangsaufenthalts aufrechterhalten, soll das Gericht oder der Verwaltungsausschuss periodisch, zumindest aber zweimal jährlich, den Fall dieser Person prüfen im Hinblick auf eine Änderung der ersten Entscheidung zu ihren Gunsten, falls es die Umstände erlauben.

Sofern sich die betreffenden geschützten Personen dem nicht widersetzen, soll der Gewahrsamsstaat die Namen der geschützten Personen, die interniert oder einem Zwangsaufenthalt unterworfen oder aus der Internierung oder dem Zwangsaufenthalt entlassen worden sind, so rasch als möglich zur Kenntnis der Schutzmacht bringen. Unter dem gleichen Vorbehalt sollen auch die Entscheidungen der in Absatz 1 des vorliegenden Artikels erwähnten Gerichte oder Verwaltungsausschüsse so rasch als möglich der Schutzmacht mitgeteilt werden.


 

Bei der Anwendung der durch das vorliegende Abkommen vorgesehenen Kontrollmassnahmen soll der Gewahrsamsstaat die Flüchtlinge, die in Wirklichkeit den Schutz keiner Regierung geniessen, nicht ausschliesslich auf Grund ihrer rechtlichen Zugehörigkeit zu einem feindlichen Staat als feindliche Ausländer behandeln.


 

Die geschützten Personen dürfen nicht einer Macht übergeben werden, die an diesem Abkommen nicht beteiligt ist.

Diese Bestimmung darf jedoch der Heimschaffung der geschützten Personen oder ihrer Rückkehr in den Staat, in dem sie ihren Wohnsitz haben, nach dem Ende der Feindseligkeiten nicht im Wege stehen.

Geschützte Personen dürfen vom Gewahrsamsstaat nur dann einer Macht übergeben werden, die an diesem Abkommen beteiligt ist, wenn er sich vergewissert hat, dass die fragliche Macht willens und in der Lage ist, das Abkommen anzuwenden. Wenn geschützte Personen unter diesen Umständen übergeben werden, übernimmt die sie aufnehmende Macht die Verantwortung für die Anwendung des Abkommens, solange sie ihr anvertraut sind. Sollte diese Macht indessen die Bestimmungen des Abkommens nicht in allen wichtigen Punkten einhalten, so hat die Macht, die die geschützten Personen übergeben hat, auf Anzeige der Schutzmacht hin wirksame Massnahmen zu ergreifen, um Abhilfe zu schaffen, oder die Rückgabe der geschützten Personen zu verlangen. Einem solchen Verlangen muss stattgegeben werden.

Eine geschützte Person darf auf keinen Fall in ein Land übergeführt werden, in dem sie Verfolgungen wegen ihrer politischen und religiösen Überzeugung befürchten muss.

Die Bestimmungen dieses Artikels bilden kein Hindernis für die Auslieferung von geschützten Personen, die eines Verbrechens des gemeinen Rechts angeklagt sind, auf Grund von Auslieferungsverträgen, die vor Ausbruch der Feindseligkeiten abgeschlossen wurden.


 

Sofern einschränkende Massnahmen in bezug auf geschützte Personen nicht bereits früher rückgängig gemacht worden sind, sollen sie nach Abschluss der Feindseligkeiten so rasch als möglich aufgehoben werden.

Einschränkende Massnahmen in bezug auf ihr Eigentum sollen nach Abschluss der Feindseligkeiten gemäss der Gesetzgebung des Gewahrsamsstaates sobald als möglich aufgehoben werden.

Abschnitt III Besetzte Gebiete

 

Den geschützten Personen, die sich in besetztem Gebiet befinden, sollen in keinem Falle und auf keine Weise die Vorteile des vorliegenden Abkommens entzogen werden, weder irgendeiner Veränderung wegen, die sich als Folge der Besetzung in den Institutionen oder der Regierung des in Frage stehenden Gebietes ergeben könnte, noch auf Grund einer zwischen den Behörden des besetzten Gebietes und der Besetzungsmacht abgeschlossenen Vereinbarung, noch auf Grund der Einverleibung des ganzen oder eines Teils des besetzten Gebietes durch die Besetzungsmacht.


 

Geschützte Personen, die nicht Staatsangehörige der Macht sind, deren Gebiet besetzt ist, können unter den in Artikel 35 vorgesehenen Bedingungen das Recht zum Verlassen des Gebietes in Anspruch nehmen. Die Entscheidungen sollen auf Grund der Verfahrensvorschriften getroffen werden, die die Besetzungsmacht in Übereinstimmung mit dem erwähnten Artikel aufzustellen hat.


 

Zwangsweise Einzel- oder Massenumsiedlungen sowie Deportationen von geschützten Personen aus besetztem Gebiet nach dem Gebiet der Besetzungsmacht oder dem irgendeines anderen besetzten oder unbesetzten Staates sind ohne Rücksicht auf ihren Beweggrund verboten.

Immerhin kann die Besetzungsmacht eine vollständige oder teilweise Evakuierung eines bestimmten besetzten Gebietes durchführen, wenn die Sicherheit der Bevölkerung oder zwingende militärische Gründe dies erfordern. Solche Evakuierungen dürfen nicht die Umsiedlungen von geschützten Personen in Gebiete ausserhalb der Grenzen des besetzten Gebietes zur Folge haben, es sei denn, eine solche Umsiedlung liesse sich aus materiellen Gründen nicht vermeiden. Unmittelbar nach Beendigung der Feindseligkeiten in dem in Frage stehenden Gebiet soll die so evakuierte Bevölkerung in ihre Heimstätten zurückgeführt werden.

Die Besetzungsmacht hat bei der Durchführung derartiger Umsiedlungen oder Evakuierungen im Rahmen des Möglichen dafür zu sorgen, dass angemessene Unterkunft für die Aufnahme der geschützten Personen vorgesehen wird, dass die Umsiedlung in bezug auf Sauberkeit, Hygiene, Sicherheit und Verpflegung unter befriedigenden Bedingungen durchgeführt wird und Mitglieder derselben Familie nicht voneinander getrennt werden.

Die Schutzmacht soll von allen Umsiedlungen und Evakuierungen verständigt werden, sobald sie stattgefunden haben.

Die Besetzungsmacht darf geschützte Personen nicht einer in besonders den Kriegsgefahren ausgesetzten Gegend zurückhalten, sofern nicht die Sicherheit der Bevölkerung oder zwingende militärische Gründe dies erfordern.

Die Besetzungsmacht darf nicht Teile ihrer eigenen Zivilbevölkerung in das von ihr besetzte Gebiet deportieren oder umsiedeln.


 

Die Besetzungsmacht soll in Zusammenarbeit mit den Landes- und Ortsbehörden den geordneten Betrieb der Einrichtungen erleichtern, die zur Pflege und Erziehung der Kinder dienen.

Sie soll alle notwendigen Massnahmen ergreifen, um die Identifizierung der Kinder und die Eintragung ihrer Familienzugehörigkeit zu erleichtern. Keinesfalls darf sie ihren Personalstatus ändern noch sie in von ihr abhängige Formationen oder Organisationen einreihen.

Sollten die lokalen Einrichtungen unzulänglich sein, so hat die Besetzungsmacht die notwendigen Vorkehren zu treffen, um den Unterhalt und die Erziehung der Waisen und der infolge des Krieges von ihren Eltern getrennten Kinder sicherzustellen. Dies soll wenn möglich durch Personen ihrer Staatsangehörigkeit, Sprache und Religion erfolgen, sofern nicht ein naher Verwandter oder Freund für sie sorgen kann.

Eine besondere Abteilung des auf Grund der Bestimmungen von Artikel 136 geschaffenen Büros ist beauftragt, alle notwendigen Schritte zu unternehmen, um diejenigen Kinder zu identifizieren, deren Identität ungewiss ist. Angaben, die man über ihre Eltern oder andere nahe Verwandte gegebenenfalls besitzt, sollen immer aufgezeichnet werden.

Die Besetzungsmacht soll die Anwendung irgendwelcher Vorzugsmassnahmen in bezug auf die Ernährung, ärztliche Pflege und Schutz vor Kriegsfolgen nicht behindern, welche gegebenenfalls bereits vor der Besetzung zugunsten von Kindern unter fünfzehn Jahren, schwangeren Frauen und Müttern von Kindern unter sieben Jahren durchgeführt wurden.


 

Die Besetzungsmacht kann geschützte Personen nicht zwingen, in ihren bewaffneten Kräften oder Hilfskräften Dienst zu leisten. Jeder Druck oder jede Propaganda, die auf freiwilligen Eintritt in die bewaffneten Kräfte oder Hilfsdienste abzielt, ist verboten.

Sie darf geschützte Personen nur dann zur Arbeit zwingen, wenn sie über achtzehn Jahre alt sind und auch dann nur zu Arbeiten, die für die Bedürfnisse der Besetzungsarmee oder für die öffentlichen Dienste, für die Ernährung, Unterbringung, Bekleidung, für den Transport oder die Gesundheit der Bevölkerung des besetzten Landes notwendig sind. Die geschützten Personen dürfen nicht zu irgendeiner Arbeit gezwungen werden, die sie verpflichten würde, an militärischen Operationen teilzunehmen. Die Besetzungsmacht kann geschützte Personen nicht zwingen, Einrichtungen, in denen sie die ihnen auferlegte Arbeit verrichten, unter Anwendung von Gewalt zu schützen.

Die Arbeit darf nur innerhalb des besetzten Gebietes geleistet werden, in welchem die betreffenden Personen sich befinden. Jede solche Person soll soweit als möglich auf ihrem gewohnten Arbeitsplatz verwendet werden. Die Arbeit soll angemessen bezahlt und den körperlichen und geistigen Fähigkeiten der Arbeitenden angepasst sein. Die im besetzten Lande in Kraft stehende Gesetzgebung betreffend die Arbeitsbedingungen und Schutzmassnahmen, insbesondere in bezug auf Löhne, Arbeitsdauer, Ausrüstung, Vorbildung und Entschädigungen für Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten, ist auf die geschützten Personen anzuwenden, die zu Arbeiten herangezogen werden, von denen im vorliegenden Artikel die Rede ist.

In keinem Falle darf die Rekrutierung von Arbeitskräften zu einer Mobilisierung von Arbeitern in Organisationen militärischen oder halbmilitärischen Charakters führen.


 

Kein Vertrag, kein Übereinkommen oder keine Vorschrift kann das Recht irgendeines freiwilligen oder unfreiwilligen Arbeiters beeinträchtigen, sich, wo immer er sich befindet, an die Vertreter der Schutzmacht zu wenden, um deren Intervention zu verlangen.

Alle Massnahmen, die darauf abzielen, Arbeitslosigkeit zu schaffen oder die Arbeitsmöglichkeiten der Arbeiter eines besetzten Gebietes zu beschränken, um sie auf diese Weise zur Arbeit für die Besetzungsmacht zu gewinnen, sind verboten.


 

Es ist der Besetzungsmacht verboten, bewegliche oder unbewegliche Güter zu zerstören, die persönliches oder gemeinschaftliches Eigentum von Privatpersonen, Eigentum des Staates oder öffentlicher Körperschaften, sozialer oder genossenschaftlicher Organisationen sind, ausser in Fällen, wo solche Zerstörungen wegen militärischer Operationen unerlässlich werden sollten.


 

Es ist der Besetzungsmacht verboten, den Status der Beamten, Behördemitglieder oder Richter des besetzten Gebietes zu ändern oder gegen sie Sanktionen oder irgendwelche Zwangsmassnahmen oder diskriminierende Massnahmen zu ergreifen, weil sie sich aus Gewissensgründen enthalten, ihre Funktionen zu erfüllen.

Dieses Verbot verhindert weder die Anwendung von Artikel 51 Absatz 2 noch berührt es das Recht der Besetzungsmacht, Inhaber öffentlicher Ämter von ihren Posten zu entheben.


 

Die Besetzungsmacht hat die Pflicht, die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungs- und Arzneimitteln mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln sicherzustellen; insbesondere hat sie Lebensmittel, medizinische Ausrüstungen und alle anderen notwendigen Artikel einzuführen, falls die Hilfsquellen des besetzten Gebietes nicht ausreichen.

Die Besetzungsmacht darf keine im besetzten Gebiete befindlichen Lebensmittel, Waren oder medizinischen Ausrüstungen requirieren, ausgenommen für die Besetzungskräfte und -verwaltung. und auch dann nur unter Berücksichtigung der Bedürfnisse der Zivilbevölkerung. Unter Vorbehalt der Bestimmungen anderer internationaler Abkommen hat die Besetzungsmacht die notwendigen Vorkehren zu treffen, damit eine gerechte Entschädigung für die requirierten Güter gezahlt wird.

Die Schutzmächte können jederzeit ohne weiteres den Stand der Versorgung mit Lebensmitteln und Medikamenten in den besetzten Gebieten untersuchen, unter Vorbehalt von zeitweiligen Beschränkungen, die aus zwingenden militärischen Erfordernissen auferlegt werden könnten.


 

Die Besetzungsmacht ist verpflichtet, mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln in Zusammenarbeit mit den Landes- und Ortsbehörden die Einrichtungen und Dienste für ärztliche Behandlung und Spitalpflege sowie das öffentliche Gesundheitswesen im besetzten Gebiet zu sichern und aufrechtzuerhalten, insbesondere durch Einführung und Anwendung der notwendigen Vorbeugungs- und Vorsichtsmassnahmen zur Bekämpfung der Ausbreitung von ansteckenden Krankheiten und Epidemien. Das ärztliche Personal aller Kategorien ist ermächtigt, seine Aufgaben zu erfüllen.

Wenn neue Spitäler im besetzten Gebiet geschaffen werden und wenn die zuständigen Organe des besetzten Staates dort ihre Funktionen nicht mehr ausüben, sollen die Besetzungsbehörden, falls es nötig sein sollte, die in Artikel 18 vorgesehene Anerkennung gewähren. Unter ähnlichen Umständen haben die Besetzungsbehörden ebenfalls dem Spitalpersonal und den Transportfahrzeugen gemäss den Bestimmungen der Artikel 20 und 21 die Anerkennung zu gewähren.

Bei der Ergreifung von Gesundheits- und Hygienemassnahmen sowie bei ihrer Durchführung soll die Besetzungsmacht das moralische und ethische Empfinden der Bevölkerung des besetzten Gebietes berücksichtigen.


 

Die Besetzungsmacht darf Zivilspitäler nur vorübergehend und nur im Falle dringender Notwenigkeit requirieren, um verwundete und kranke Militärpersonen zu pflegen, und dann nur unter der Bedingung, dass in nützlicher Frist geeignete Massnahmen getroffen werden, um die Pflege und Behandlung der hospitalisierten Personen sicherzustellen und die Bedürfnisse der Zivilbevölkerung zu befriedigen.

Das Material und die Vorräte der Zivilspitäler dürfen nicht requiriert werden, solange sie für die Bedürfnisse der Zivilbevölkerung notwendig sind.


 

Die Besetzungsmacht soll den Geistlichen gestatten, den Mitgliedern ihrer religiösen Gemeinschaften geistlichen Beistand zu leisten.

Die Besetzungsmacht soll ebenfalls die Sendungen von Büchern und Gegenständen, die zur Befriedigung religiöser Bedürfnisse notwendig sind, annehmen und ihre Verteilung im besetzten Gebiet erleichtern.


 

Wenn die Bevölkerung eines besetzten Gebietes oder ein Teil derselben ungenügend versorgt wird, soll die Besetzungsmacht Hilfsaktionen zugunsten dieser Bevölkerung gestatten und sie mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln erleichtern.

Solche Hilfsaktionen, die entweder durch Staaten oder durch eine unparteiische humanitäre Organisation, wie das Internationale Komitee vom Roten Kreuz, unternommen werden können, sollen insbesondere aus Lebensmittel-, Arznei- und Kleidungssendungen bestehen.

Alle Vertragsstaaten haben die freie Durchfuhr dieser Sendungen zu gestatten und ihren Schutz zu gewährleisten.

Eine Macht, die die freie Durchfuhr von Sendungen gewährt, die für ein von einer feindlichen Partei besetztes Gebiet bestimmt sind, hat jedoch das Recht, die Sendungen zu prüfen, ihre Durchfuhr nach vorgeschriebenen Zeiten und Wegen zu regeln und von der Schutzmacht ausreichende Zusicherungen zu verlangen, dass diese Sendungen zur Hilfeleistung an die notleidende Bevölkerung bestimmt sind und nicht zum Vorteil der Besetzungsmacht verwendet werden.


 

Die Hilfssendungen entbinden die Besetzungsmacht in keiner Weise von den ihr durch die Artikel 55, 56 und 59 auferlegten Verantwortlichkeiten. Sie darf die Hilfssendungen auf keine Weise für einen anderen als den vorbestimmten Zweck verwenden, ausgenommen in Fällen dringender Notwendigkeit, im Interesse der Bevölkerung des besetzten Gebietes und mit Zustimmung der Schutzmacht.


 

Die Verteilung der in den vorhergehenden Artikeln erwähnten Hilfssendungen soll unter der Mitwirkung und Aufsicht der Schutzmacht durchgeführt werden. Diese Aufgabe kann durch ein Übereinkommen zwischen Besetzungs- und Schutzmacht auch einem neutralen Staat, dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz oder irgendeiner unparteiischen humanitären Organisation übertragen werden.

Solche Hilfsmassnahmen sollen im besetzten Gebiete von allen Abgaben, Steuern oder Zöllen befreit sein, es sei denn, diese seien im Interesse der Wirtschaft des betreffenden Gebietes notwendig. Die Besetzungsmacht hat die rasche Verteilung dieser Sendungen zu erleichtern.

Alle Vertragsparteien sollen sich bemühen, die unentgeltliche Durchfuhr und Beförderung dieser für besetzte Gebiete bestimmten Hilfssendungen zu gestatten.


 

Unter Vorbehalt von zwingenden Sicherheitsgründen können die in besetztem Gebiet befindlichen geschützten Personen an sie gerichtete private Hilfssendungen empfangen.


 

Unter Vorbehalt von vorübergehenden von der Besetzungsmacht ausnahmsweise aus zwingenden Sicherheitsgründen auferlegten Massnahmen:

a.
können die anerkannten nationalen Gesellschaften des Roten Kreuzes (des Roten Halbmondes, des Roten Löwen mit roter Sonne) ihre Tätigkeit gemäss den Grundsätzen des Roten Kreuzes fortsetzen, wie sie von den internationalen Rotkreuzkonferenzen festgelegt worden sind. Die andern Hilfsgesellschaften sollen ihre humanitäre Tätigkeit unter ähnlichen Bedingungen fortsetzen können;
b.
kann die Besetzungsmacht nicht Veränderungen im Personal oder in der Zusammensetzung dieser Gesellschaften verlangen, die der oben erwähnten Tätigkeit zum Nachteil gereichen könnten.

Die gleichen Grundsätze sollen auf die Tätigkeit und das Personal von besonderen Organisationen nicht militärischen Charakters angewendet werden, welche bereits bestehen oder noch geschaffen werden könnten, um die Lebensbedingungen der Zivilbevölkerung durch Aufrechterhaltung der lebenswichtigen öffentlichen Dienste, durch Verteilung von Hilfsmitteln und durch Organisierung von Rettungsaktionen zu sichern.


 

Die Strafgesetze des besetzten Gebietes bleiben in Kraft, ausser wenn sie durch die Besetzungsmacht endgültig oder vorübergehend ausser Kraft gesetzt werden, weil sie eine Gefahr für die Sicherheit dieser Macht oder ein Hindernis bei der Anwendung des vorliegenden Abkommens darstellen. Unter Vorbehalt dieser letzteren Erwägung und der Notwendigkeit, eine wirksame Justizverwaltung zu gewährleisten, sollen die Gerichte des besetzten Gebietes fortfahren, alle durch die erwähnten Gesetze erfassten Vergehen zu behandeln.

Immerhin kann die Besetzungsmacht die Bevölkerung des besetzten Gebietes Bestimmungen unterwerfen, die unerlässlich sind zur Erfüllung der ihr durch das vorliegende Abkommen auferlegten Verpflichtungen, zur Aufrechterhaltung einer ordentlichen Verwaltung des Gebietes und zur Gewährleistung der Sicherheit sowohl der Besetzungsmacht als auch der Mitglieder und des Eigentums der Besetzungsstreitkräfte oder -verwaltung sowie der durch sie benützten Anlagen und Verbindungslinien.


 

Die durch die Besetzungsmacht erlassenen Strafbestimmungen treten erst dann in Kraft, wenn sie veröffentlicht und der Bevölkerung in ihrer Sprache zur Kenntnis gebracht worden sind. Sie können keine rückwirkende Kraft haben.


 

Die Besetzungsmacht kann die Angeklagten im Falle einer Verletzung der von ihr kraft Artikel 64 Absatz 2 erlassenen Strafbestimmungen vor ihre nichtpolitischen und ordnungsmässig gebildeten Militärgerichte stellen, unter der Bedingung, dass diese im besetzten Gebiet tagen. Die Rechtsmittelgerichte sollen vorzugsweise im besetzten Gebiet tagen.


 

Die Gerichte dürfen nur jene Gesetzesbestimmungen anwenden, die vor der Begehung der strafbaren Handlung gegolten haben und in Übereinstimmung mit den allgemeinen Rechtsgrundsätzen stehen, insbesondere mit dem Grundsatz, dass die Strafe der Schwere des Vergehens angemessen sein soll. Sie haben in Betracht zu ziehen, dass der Angeklagte kein Staatsangehöriger der Besetzungsmacht ist.


 

Begeht eine geschützte Person eine strafbare Handlung, die ausschliesslich den Zweck verfolgt, der Besetzungsmacht zu schaden, die aber keinen Angriff auf das Leben oder die körperliche Unversehrtheit der Angehörigen der Besetzungsstreitkräfte oder -verwaltung darstellt, noch eine ernste Gemeingefahr schafft, noch dem Eigentum der Besetzungsstreitkräfte oder -verwaltung, noch den durch sie benützten Einrichtungen wesentlichen Schaden zufügt, ist diese Person mit Internierung oder einfacher Haft zu bestrafen, wobei die Dauer dieser Internierung oder Haft der Schwere der begangenen strafbaren Handlung zu entsprechen hat. Im weitern ist Internierung oder Haft für solche strafbaren Handlungen die einzige freiheitsentziehende Massnahme, die gegen geschützte Personen getroffen werden kann. Die in Artikel 66 des vorliegenden Abkommens vorgesehenen Gerichte können nach ihrem Ermessen die Haft in eine Internierung von gleicher Dauer umwandeln.

Die von der Besetzungsmacht gemäss den Artikeln 64 und 65 erlassenen Strafbestimmungen können die Todesstrafe für geschützte Personen nur dann vorsehen, wenn diese Personen der Spionage, schwerer Sabotageakte an militärischen Einrichtungen der Besetzungsmacht oder vorsätzlicher strafbarer Handlungen schuldig sind, die den Tod einer oder mehrerer Personen verursacht haben, und wenn die Gesetze des besetzten Gebietes, die vor dem Beginn der Besetzung in Kraft standen, für solche Fälle die Todesstrafe vorsehen.

Die Todesstrafe kann gegen eine geschützte Person nur ausgesprochen werden, wenn das Gericht ganz besonders auf die Tatsache aufmerksam gemacht wurde, dass der Angeklagte, da er nicht Angehöriger der Besetzungsmacht ist, durch keinerlei Treuepflicht ihr gegenüber gebunden ist.

Keinesfalls kann die Todesstrafe gegen eine geschützte Person ausgesprochen werden, die zur Zeit der Begehung der strafbaren Handlung noch nicht achtzehn Jahre alt war.


 

In allen Fällen ist die Dauer der Untersuchungshaft auf die über eine angeklagte geschützte Person verhängte Gefängnisstrafe anzurechnen.


 

Geschützte Personen dürfen von der Besetzungsmacht nicht verhaftet, verfolgt oder verurteilt werden wegen vor der Besetzung oder während einer vorübergehenden Unterbrechung derselben begangener Handlungen oder geäusserter Meinungen, Verstösse gegen die Gesetze und Gebräuche des Krieges vorbehalten.

Angehörige der Besetzungsmacht, die vor Ausbruch des Konflikts im besetzten Gebiete Zuflucht gesucht haben, dürfen nicht verhaftet, verfolgt, verurteilt oder aus dem besetzten Gebiete deportiert werden, es sei denn wegen nach Ausbruch der Feindseligkeiten begangener strafbarer Handlungen oder vor Ausbruch der Feindseligkeiten begangener gemeinrechtlicher Vergehen, die nach dem Recht des besetzten Staates die Auslieferung auch in Friedenszeiten gerechtfertigt hätten.


 

Die zuständigen Gerichte der Besetzungsmacht können ohne ein vorhergehendes ordentliches Verfahren niemanden verurteilen.

Jeder von der Besetzungsmacht gerichtlich verfolgte Beschuldigte soll ohne Verzug schriftlich, in einer ihm verständlichen Sprache, von den gegen ihn erhobenen Anschuldigungen eingehend in Kenntnis gesetzt und sein Fall soll so rasch als möglich zur Verhandlung gebracht werden. Die Schutzmacht soll von jedem durch die Besetzungsmacht gegen geschützte Personen eingeleiteten Verfahren in Kenntnis gesetzt werden, wenn die Anklage zu einem Todesurteil oder zur Verhängung einer Gefängnisstrafe von zwei oder mehr Jahren führen könnte; sie kann sich jederzeit über den Stand des Verfahrens unterrichten. Des weitern hat die Schutzmacht das Recht, auf Verlangen alle Auskünfte über solche und alle anderen von der Besetzungsmacht gegen geschützte Personen eingeleiteten Verfahren zu erhalten.

Die Anzeige an die Schutzmacht, wie sie in Absatz 2 dieses Artikels vorgesehen ist, soll unverzüglich erfolgen und in jedem Falle die Schutzmacht drei Wochen vor dem Zeitpunkt der ersten Verhandlung erreichen. Die Verhandlung darf nicht stattfinden, wenn nicht bei ihrer Eröffnung der Beweis erbracht wird, dass die Bestimmungen dieses Artikels restlos eingehalten wurden. Die Anzeige soll insbesondere folgende Punkte enthalten:

a.
Angaben über Person des Angeklagten;
b.
Wohnort oder Gewahrsamsort;
c.
genaue Bezeichnung des oder der Anklagepunkte (mit Erwähnung der Strafbestimmungen, auf die sie sich stützen);
d.
Bezeichnung des Gerichtes, welches den Fall behandeln wird;
e.
Ort und Zeitpunkt der ersten Verhandlung.

 

Jeder Angeklagte hat das Recht, die zu seiner Verteidigung notwendigen Beweismittel geltend zu machen und kann insbesondere Zeugen vorladen lassen. Er hat das Recht auf Beistand durch einen geeigneten Verteidiger seiner Wahl, der ihn ungehindert besuchen kann und dem alle zur Vorbereitung der Verteidigung notwendigen Erleichterungen zu gewähren sind.

Hat der Angeklagte keinen Verteidiger gewählt, so hat die Schutzmacht ihm einen zu bestellen. Sollte der Angeklagte sich gegen eine schwere Anklage zu verantworten haben und einer Schutzmacht entbehren, hat ihm die Besetzungsmacht unter Vorbehalt seiner Zustimmung einen Verteidiger zu bestellen.

Jeder Angeklagte soll, sofern er nicht freiwillig darauf verzichtet, sowohl während der Untersuchung als auch bei der Gerichtsverhandlung von einem Dolmetscher unterstützt werden. Er kann den Dolmetscher jederzeit zurückweisen und seine Ersetzung verlangen.


 

Jeder Verurteilte hat das Recht, diejenigen Rechtsmittel zu ergreifen, die durch die vom Gericht angewendete Gesetzgebung vorgesehen sind. Er soll vollständig über die ihm zustehenden Rechtsmittel wie auch über die zu ihrer Einbringung gesetzten Fristen aufgeklärt werden.

Das in diesem Abschnitt vorgesehene Strafverfahren soll, soweit anwendbar, auch bei Rechtsmitteln angewendet werden. Sehen die durch das Gericht angewendeten Gesetze keine Möglichkeit für Einlegung eines Rechtsmittels vor, so hat der Verurteilte das Recht, gegen den Schuldspruch und die Verurteilung bei der zuständigen Behörde der Besetzungsmacht Rechtsmittel einzulegen.


 

Die Vertreter der Schutzmacht haben das Recht, den Verhandlungen jedes Gerichts beizuwohnen, das über eine geschützte Person befindet, sofern nicht die Verhandlungen ausnahmsweise im Interesse der Sicherheit der Besetzungsmacht unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden müssen, wovon die Besetzungsmacht die Schutzmacht zu verständigen hat. Ort und Zeitpunkt des Beginns der Verhandlungen sollen der Schutzmacht bekanntgegeben werden.

Alle Verurteilungen zum Tode oder zu einer Freiheitsstrafe von zwei oder mehr Jahren sollen unter Angabe der Gründe so rasch als möglich der Schutzmacht mitgeteilt werden. Die Bekanntgabe soll Bezug nehmen auf die gemäss Artikel 71 erfolgte Anzeige und im Falle der Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe den Namen des Ortes enthalten, wo das Urteil vollzogen wird. Die übrigen Urteile sollen in den Gerichtsakten festgehalten und können durch Vertreter der Schutzmacht eingesehen werden. Im Falle einer Verurteilung zum Tode oder zu einer Freiheitsstrafe von zwei oder mehr Jahren beginnen die Rechtsmittelfristen erst in dem Augenblick zu laufen, in dem die Schutzmacht vom Urteil Kenntnis erhalten hat.


 

In keinem Fall sollen zum Tode Verurteilte des Rechtes beraubt sein, ein Gnadengesuch einzureichen.

Kein Todesurteil soll vor Ablauf einer Frist von wenigstens sechs Monaten vollstreckt werden, vom Zeitpunkt an gerechnet, in dem die Schutzmacht die Mitteilung über das endgültige Urteil, das die Todesstrafe bestätigt, oder über die Entscheidung, die das Gnadengesuch ablehnt, erhalten hat.

Diese Frist von sechs Monaten kann in bestimmten Einzelfällen gekürzt werden, wenn infolge ernster und kritischer Umstände die Sicherheit der Besetzungsmacht oder ihrer bewaffneten Kräfte einer organisierten Bedrohung ausgesetzt ist; die Schutzmacht soll jedoch von einer solchen Fristverkürzung stets unterrichtet werden und sie soll stets die Möglichkeit haben, innerhalb angemessener Zeit bei den zuständigen Besetzungsbehörden wegen dieser Todesurteile Vorstellungen zu erheben.


 

Die einer strafbaren Handlung beschuldigten geschützten Personen sollen im besetzten Gebiet gefangengehalten werden und, falls sie verurteilt werden, dort ihre Strafe verbüssen. Sie sollen wenn möglich von den anderen Gefangenen getrennt werden; die Bedingungen der Ernährung und Hygiene, denen sie unterworfen sind, sollen genügen, um sie in einem guten Gesundheitszustand zu erhalten, und sollen wenigstens den Bedingungen der Strafanstalten des besetzten Landes gleichkommen.

Sie sollen die ärztliche Betreuung erhalten, die ihr Gesundheitszustand erfordert.

Sie sollen ebenfalls das Recht haben, den geistlichen Beistand zu empfangen, um den sie gegebenenfalls ersuchen.

Frauen sollen in gesonderten Räumlichkeiten untergebracht und unter die unmittelbare Überwachung von Frauen gestellt werden.

Gebührende Aufmerksamkeit soll der den Minderjährigen zukommenden besonderen Behandlung geschenkt werden.

Gefangengehaltene geschützte Personen haben das Recht, den Besuch von Delegierten der Schutzmacht und des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz gemäss den Bestimmungen von Artikel 143 zu empfangen.

Ferner sind sie berechtigt, monatlich wenigstens ein Lebensmittelpaket zu erhalten.


 

Die vor Gerichten im besetzten Gebiet angeklagten oder von diesen verurteilten geschützten Personen sollen bei Beendigung der Besetzung den Behörden des befreiten Gebietes mit den sie betreffenden Akten übergeben werden.


 

Wenn die Besetzungsmacht es aus zwingenden Sicherheitsgründen als notwendig erachtet, Sicherheitsmassnahmen in bezug auf geschützte Personen zu ergreifen, kann sie ihnen höchstens einen Zwangsaufenthalt auferlegen oder sie internieren.

Die Entscheidungen über den Zwangsaufenthalt oder die Internierung sollen in einem ordentlichen Verfahren getroffen werden, das von der Besetzungsmacht entsprechend den Bestimmungen des vorliegenden Abkommens festzulegen ist. Dieses Verfahren hat für die betroffenen Personen das Recht auf Einlegung von Rechtsmitteln vorzusehen. Über Rechtsmittel soll so rasch als möglich entschieden werden. Werden Entscheidungen aufrechterhalten, sollen sie einer periodischen, wenn möglich halbjährlichen Überprüfung durch eine zuständige, von der erwähnten Macht eingesetzte Behörde unterzogen werden.

Geschützte Personen, denen ein Zwangsaufenthalt zugewiesen wird und die infolgedessen zum Verlassen ihres Wohnsitzes gezwungen sind, sollen in den vollen Genuss der Bestimmungen von Artikel 39 des vorliegenden Abkommens gelangen.

Abschnitt IV Vorschriften für die Behandlung von Internierten

Kapitel I Allgemeine Bestimmungen

 

Die am Konflikt beteiligten Parteien dürfen geschützte Personen nur gemäss den Bestimmungen der Artikel 41,42,43,68 und 78 internieren.


 

Die Internierten behalten ihre volle bürgerliche Rechtsfähigkeit und können die daraus erwachsenden Rechte geltend machen, soweit sie mit ihrem Status als Internierte vereinbar sind.


 

Die am Konflikt beteiligten Parteien, die geschützte Personen internieren, sind gehalten, unentgeltlich für ihren Unterhalt aufzukommen und ihnen ebenfalls die ärztliche Pflege angedeihen zu lassen, die ihr Gesundheitszustand erfordert.

Von den Zulagen, Entlöhnungen und Guthaben der Internierten darf zur Begleichung dieser Kosten keinerlei Abzug gemacht werden.

Der Gewahrsamsstaat soll für den Unterhalt der von den Internierten abhängigen Personen aufkommen, wenn diese ohne ausreichende Existenzmittel oder unfähig sind, ihr Leben selbst zu verdienen.


 

Der Gewahrsamsstaat hat die Internierten soweit als möglich nach ihrer Nationalität, ihrer Sprache und ihren Gebräuchen gruppiert unterzubringen. Die dem gleichen Lande angehörenden Internierten dürfen nicht lediglich wegen der Verschiedenheit ihrer Sprache getrennt werden.

Während der ganzen Dauer ihrer Internierung sollen die Mitglieder derselben Familie und namentlich die Eltern und ihre Kinder am gleichen Internierungsort vereinigt werden, mit Ausnahme der Fälle, in denen die Erfordernisse der Arbeit, Gesundheitsgründe oder die Anwendung der in Kapitel IX dieses Abschnitts vorgesehenen Bestimmungen eine vorübergehende Trennung notwendig machen. Die Internierten können verlangen, dass ihre Kinder, die ohne elterliche Überwachung in Freiheit gelassen werden, mit ihnen interniert werden.

Wo immer möglich, sollen die internierten Mitglieder derselben Familie zusammen in den gleichen Räumen und von den andern Internierten getrennt untergebracht werden; es sollen ihnen ebenfalls die notwendigen Erleichterungen zur Führung eines Familienlebens gewährt werden.

Kapitel II Internierungsorte

 

Der Gewahrsamsstaat darf die Internierungsorte nicht in Gebieten anlegen, die Kriegsgefahren besonders ausgesetzt sind.

Der Gewahrsamsstaat soll durch Vermittlung der Schutzmächte den feindlichen Mächten alle nützlichen Angaben über die geographische Lage der Internierungsorte zugehen lassen.

Wenn immer die militärischen Erwägungen es erlauben, sollen die Internierungslager so mit den Buchstaben IC gekennzeichnet sein, dass sie tagsüber aus der Luft deutlich erkannt werden können; die betreffenden Mächte können sich jedoch über ein anderes Mittel der Kennzeichnung einigen. Kein anderer Ort als ein Internierungslager darf auf diese Weise gekennzeichnet sein.


 

Internierte sollen getrennt von den Kriegsgefangenen und den aus irgendeinem anderen Grund der Freiheit beraubten Personen untergebracht und betreut werden.


 

Der Gewahrsamsstaat ist verpflichtet, alle notwendigen und möglichen Massnahmen zu ergreifen, damit die geschützten Personen von Beginn ihrer Internierung an in Gebäuden oder Quartieren untergebracht werden, die jegliche Gewähr in bezug auf Hygiene und Reinlichkeit sowie wirksamen Schutz vor den Unbilden der Witterung und den Folgen des Krieges bieten. Auf keinen Fall sollen ständige Internierungsorte in ungesunden Gegenden oder in Gebieten gelegen sein, deren Klima für die Internierten schädlich sein könnte. In allen Fällen, in denen sie vorübergehend in einer ungesunden Gegend oder in einem Gebiet interniert werden, dessen Klima ihrer Gesundheit schädlich ist, sollen die geschützten Personen so rasch, als es die Umstände erlauben, an einen zuträglicheren Internierungsort verbracht werden.

Die Räume sollen vollkommen vor Feuchtigkeit geschützt und, namentlich zwischen dem Einbruch der Dunkelheit und dem Beginn der Nachtruhe, genügend geheizt und beleuchtet sein. Die Schlafräume sollen ausreichend gross und gut gelüftet sein. Die Internierten sollen über passendes Bettzeug und Decken in genügender Zahl verfügen, wobei dem Klima und dem Alter, dem Geschlecht und dem Gesundheitszustand der Internierten Rechnung zu tragen ist.

Den Internierten sollen tags und nachts sanitäre Einrichtungen zur Verfügung stehen, die den Erfordernissen der Hygiene entsprechen und dauernd sauber zu halten sind. Sie sollen genügend Wasser und Seife für ihre tägliche Körperpflege und die Reinigung ihrer Wäsche erhalten; die hiefür nötigen Einrichtungen und Erleichterungen sind ihnen zu gewähren. Ausserdem sollen sie über Duschen und Badeeinrichtungen verfügen. Für ihre Körperpflege und die Reinigungsarbeiten ist ihnen die nötige Zeit einzuräumen.

Wenn immer es nötig wird, ausnahmsweise und vorübergehend internierte Frauen, die nicht einer Familiengruppe angehören, am gleichen Internierungsort wie Männer unterzubringen, müssen sie unbedingt über getrennte Schlafräume und sanitäre Einrichtungen verfügen.


 

Der Gewahrsamsstaat soll den Internierten jeglicher Konfession die passenden Räume zur Ausübung ihres Gottesdienstes zur Verfügung stellen.


 

Sofern die Internierten nicht über ähnliche andere Erleichterungen verfügen, sollen an allen Internierungsorten Kantinen eingerichtet werden, damit sie in der Lage sind, sich zu Preisen, die keinesfalls jene des lokalen Handels übersteigen dürfen, Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände, einschliesslich Seife und Tabak, zu beschaffen, die dazu beitragen, ihr Wohlbefinden und ihren persönlichen Komfort zu steigern.

Die Überschüsse der Kantinen sollen einem besonderen Unterstützungsfonds gutgeschrieben werden, welcher in jedem Internierungsort geschaffen und zum Nutzen der Internierten des betreffenden Internierungsortes verwaltet werden soll. Der in Artikel 102 vorgesehene Interniertenausschuss hat das Recht, die Verwaltung der Kantine und dieses Fonds zu überprüfen.

Bei der Auflösung eines Internierungsortes ist der Überschuss des Unterstützungsfonds auf einen Unterstützungsfonds eines anderen Internierungsortes für Internierte der gleichen Staatsangehörigkeit oder, wenn ein solcher nicht besteht, auf einen zentralen Unterstützungsfonds zu übertragen, der zum Nutzen aller in der Gewalt des Gewahrsamsstaates verbleibenden Internierten verwaltet wird. Im Falle allgemeiner Freilassung sind diese Überschüsse vom Gewahrsamsstaat aufzubewahren, falls keine gegenteiligen Abmachungen zwischen den beteiligten Mächten getroffen worden sind.


 

In allen Internierungsorten, die Luftangriffen und andern Kriegsgefahren ausgesetzt sind, sollen geeignete Schutzräume in genügender Zahl errichtet werden, um den notwendigen Schutz zu gewährleisten. Im Falle eines Alarms sollen sich die Internierten so rasch als möglich dorthin begeben können, mit Ausnahme jener, die am Schutze ihrer Unterkunftsräume gegen diese Gefahren teilnehmen. Jede zugunsten der Bevölkerung ergriffene Schutzmassnahme soll auch ihnen zugute kommen.

In den Internierungsorten sind ausreichende Vorsichtsmassregeln gegen Feuersgefahr zu treffen.

Kapitel III Ernährung und Bekleidung

 

Die tägliche Lebensmittelration der Internierten soll in Menge, Beschaffenheit und Abwechslung ausreichend sein, um ihnen einen normalen Gesundheitszustand zu gewährleisten und um Mangelerscheinungen zu verhindern. Den Ernährungsgewohnheiten der Internierten soll ebenfalls Rechnung getragen werden.

Ausserdem soll den Internierten die Möglichkeit zur Zubereitung der zusätzlichen Lebensmittel gegeben werden, über die sie unter Umständen verfügen.

Trinkwasser soll ihnen in genügender Menge geliefert werden. Tabakgenuss soll gestattet sein.

Arbeitende Internierte sollen eine der Natur ihrer Arbeit entsprechende Zusatzration erhalten.

Schwangere Frauen und Wöchnerinnen sowie Kinder unter 15 Jahren sollen eine ihren physiologischen Bedürfnissen entsprechende Zusatzration erhalten.


 

Den Internierten sind bei ihrer Festnahme alle Erleichterungen zu gewähren, um sich mit Kleidung, Schuhen und Leibwäsche auszustatten und sich auch späterhin nach Bedürfnis damit einzudecken. Wenn die Internierten keine für das Klima ausreichenden Kleider besitzen und sich solche auch nicht beschaffen können, soll sie der Gewahrsamsstaat unentgeltlich ausstatten.

Die den Internierten vom Gewahrsamsstaat gelieferten Kleider und die darauf angebrachten äusseren Kennzeichen dürfen weder entehrenden Charakter haben noch zur Lächerlichkeit Anlass geben.

Die Arbeiter sollen einen Arbeitsanzug erhalten, einschliesslich geeigneter Schutzkleidung, wenn immer die Art ihrer Arbeit dies erfordert.

Kapitel IV Hygiene und ärztliche Betreuung

 

Jeder Internierungsort soll eine unter der Leitung eines qualifizierten Arztes stehende geeignete Krankenabteilung besitzen, wo die Internierten die erforderliche Pflege und die entsprechende Diät erhalten können. Für die von ansteckenden oder Geisteskrankheiten befallenen Kranken sollen Absonderungsräume bereitgestellt werden.

Wöchnerinnen und Internierte, die von einer schweren Krankheit befallen sind oder deren Zustand eine besondere Behandlung, einen chirurgischen Eingriff oder Spitalpflege nötig macht, müssen in jedem für ihre Behandlung geeigneten Krankenhaus zugelassen werden. Sie sollen dort keine schlechtere Pflege erhalten als die gesamte Bevölkerung.

Die Internierten sollen vorzugsweise durch ärztliches Personal ihrer eigenen Staatsangehörigkeit behandelt werden.

Die Internierten dürfen nicht gehindert werden, sich den ärztlichen Behörden zur Untersuchung zu stellen. Die ärztlichen Behörden des Gewahrsamsstaates haben jedem behandelten Internierten auf Verlangen eine amtliche Bescheinigung auszuhändigen, die die Art seiner Krankheit oder seiner Verletzungen, die Dauer der Behandlung und die erhaltene Pflege angibt. Ein Doppel dieser Bescheinigung ist der in Artikel 140 vorgesehenen Zentralstelle zu übermitteln.

Die Behandlung wie auch die Beschaffung aller für die Aufrechterhaltung eines guten Gesundheitszustandes der Internierten benötigten Behelfe, namentlich künstlicher Zähne und anderer Prothesen sowie von Brillen, soll für die Internierten unentgeltlich erfolgen.


 

Mindestens einmal monatlich sollen die Internierten einer ärztlichen Untersuchung unterworfen werden. Der Zweck ist insbesondere, den allgemeinen Gesundheits-, Ernährungs- und Sauberkeitszustand zu überwachen sowie die ansteckenden Krankheiten, namentlich Tuberkulose, Geschlechtskrankheiten und Malaria, festzustellen. Sie soll namentlich auch die Kontrolle des Gewichts jedes Internierten und mindestens einmal jährlich eine Röntgendurchleuchtung umfassen.

Kapitel V Religion, körperliche und geistige Betätigung

 

Den Internierten soll in der Ausübung ihres Glaubens, einschliesslich der Teilnahme an Gottesdiensten, volle Freiheit gewährt werden, vorausgesetzt, dass sie die normalen Ordnungsvorschriften der Gewahrsamsbehörden befolgen.

Den internierten Geistlichen ist es gestattet, ihr Amt unter ihren Glaubensgenossen uneingeschränkt auszuüben. Zu diesem Zwecke hat der Gewahrsamsstaat darauf zu achten, dass sie in gerechter Weise auf die verschiedenen Internierungsorte verteilt werden, in denen sich die gleiche Sprache sprechende und dem gleichen Glauben angehörende Internierte befinden. Sind nicht genügend Geistliche vorhanden, so soll er ihnen die notwendigen Erleichterungen, unter anderem die Benützung von Transportmitteln, gewähren, um sich von einem Internierungsort zum andern zu begeben; sie sollen ermächtigt sein, die in Spitälern befindlichen Internierten zu besuchen. Die Geistlichen sollen zur Ausübung ihres Amtes volle Freiheit in der Korrespondenz mit den religiösen Behörden des Gewahrsamsstaates und, soweit möglich, mit den internationalen religiösen Organisationen ihres Glaubens geniessen. Diese Korrespondenz soll nicht als Teil des in Artikel 107 erwähnten Kontingentes gelten, jedoch den Bestimmungen des Artikels 112 unterstellt sein.

Wenn Internierte über keinen Beistand von Geistlichen ihres Glaubens verfügen oder deren Zahl nicht genügend ist, können die kirchlichen Ortsbehörden des gleichen Glaubens, im Einverständnis mit dem Gewahrsamsstaat, einen Geistlichen des Bekenntnisses der betreffenden Internierten oder, wenn dies vom konfessionellen Gesichtspunkt aus möglich ist, einen Geistlichen eines ähnlichen Bekenntnisses oder einen befähigten Laien bezeichnen. Letzterer soll die Vorteile geniessen, die mit dem übernommenen Amt verbunden sind. Die so ernannten Personen haben alle vom Gewahrsamsstaat im Interesse der Disziplin und der Sicherheit erlassenen Vorschriften zu befolgen.


 

Der Gewahrsamsstaat soll die geistige, erzieherische, sportliche sowie die der Erholung geltende Betätigung der Internierten fördern, wobei ihnen volle Freiheit zu lassen ist, daran teilzunehmen oder nicht. Er soll alle möglichen Massnahmen ergreifen, um deren Ausübung zu gewährleisten und den Internierten namentlich passende Räume zur Verfügung stellen.

Alle möglichen Erleichterungen sollen den Internierten gewährt werden, um ihnen zu gestatten, ihre Studien fortzuführen oder neue zu beginnen. Der Unterhalt für die Kinder und Jugendlichen soll gewährleistet sein; sie können Schulen entweder innerhalb oder ausserhalb des Internierungsortes besuchen.

Den Internierten soll die Möglichkeit geboten werden, sich körperlichen Übungen, dem Sport und Spielen im Freien zu widmen. Zu diesem Zwecke sind in allen Internierungsorten ausreichende offene Plätze zur Verfügung zu stellen. Kindern und Jugendlichen sollen besondere Spielplätze vorbehalten sein.


 

Der Gewahrsamsstaat darf Internierte nur auf ihren Wunsch hin als Arbeiter beschäftigen. Auf jeden Fall sind verboten: die Beschäftigung, welche, wenn sie einer nicht internierten geschützten Person auferlegt wird, eine Verletzung von Artikel 40 oder 51 des vorliegenden Abkommens bedeuten würde, sowie die Verwendung zu allen Arbeiten erniedrigender und entehrender Art.

Nach einer Arbeitsperiode von sechs Wochen können die Internierten die Arbeit jederzeit unter Beachtung einer achttägigen Kündigungsfrist aufgeben.

Diese Bestimmungen beschränken nicht das Recht des Gewahrsamsstaates, die internierten Ärzte, Zahnärzte und anderen Mitglieder des Sanitätspersonals zur Ausübung ihres Berufes zum Wohle ihrer Mitinternierten anzuhalten, oder Internierte zu Verwaltungs- und Unterhaltsarbeiten für den Internierungsort heranzuziehen und diese Personen mit Küchen- und anderen Haushaltarbeiten zu beauftragen; und schliesslich sie zu Arbeiten heranzuziehen, die dazu bestimmt sind, die Internierten gegen Luftangriffe und anderen aus dem Kriege erwachsende Gefahren zu schützen. Kein Internierter darf jedoch zur Ausübung von Arbeiten genötigt werden, für die ihn ein Arzt der Verwaltung körperlich untauglich erklärt hat.

Der Gewahrsamsstaat trägt die volle Verantwortung für alle Arbeitsbedingungen, für die ärztliche Pflege, für die Bezahlung der Löhne und für die Entschädigung für Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Die Arbeitsbedingungen wie auch die Entschädigung für Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten sollen der nationalen Gesetzgebung und der bestehenden Praxis entsprechen; sie dürfen auf keinen Fall schlechter sein als jene, die für eine Arbeit der gleichen Art in derselben Gegend Anwendung finden. Die Löhne sollen in gerechter Weise durch Vereinbarung zwischen dem Gewahrsamsstaat, den Internierten und gegebenenfalls den andern Arbeitgebern als dem Gewahrsamsstaat festgesetzt werden, wobei der Verpflichtung des Gewahrsamsstaates Rechnung zu tragen ist, unentgeltlich für den Unterhalt des Internierten zu sorgen und ihm gleichfalls die ärztliche Pflege, die sein Gesundheitszustand erfordert, angedeihen zu lassen. Die dauernd zu Arbeiten, wie sie in Absatz 3 umschrieben sind, herangezogenen Internierten sollen vom Gewahrsamsstaat eine gerechte Entlöhnung erhalten; die Arbeitsbedingungen und die Entschädigungen für Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten sollen nicht schlechter sein als jene, die für eine Arbeit der gleichen Art in derselben Gegend Anwendung finden.


 

Jede Arbeitsgruppe soll einem Internierungsort unterstellt sein. Die zuständigen Behörden des Gewahrsamsstaates und der Kommandant dieses Internierungsortes sind dafür verantwortlich, dass die Bestimmungen des vorliegenden Abkommens in den Arbeitsgruppen beachtet werden. Der Kommandant hat ein stets nachgeführtes Verzeichnis der ihm unterstehenden Arbeitsgruppen zu führen und es den Delegierten der Schutzmacht, des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz oder anderer humanitärer Organisationen, welche die Internierungsorte besuchen, vorzuweisen.

Kapitel Vl Persönliches Eigentum und Geldmittel

 

Die Internierten sollen ihre persönlichen Gebrauchsgegenstände und Effekten behalten können. Geldbeträge, Schecks, Wertpapiere usw. wie auch die Wertgegenstände, die sie besitzen, können ihnen nur gemäss dem feststehenden Verfahren abgenommen werden. Es soll ihnen hiefür eine detaillierte Empfangsbestätigung ausgestellt werden.

Die Geldbeträge sollen dem Konto jedes Internierten, wie es in Artikel 98 vorgesehen ist, gutgeschrieben werden; sie dürfen nicht in eine andere Währung umgewechselt werden, ausser wenn die Gesetzgebung des Gebietes, in dem der Eigentümer interniert ist, dies verlangt oder der Internierte seine Zustimmung gibt.

Gegenstände, die vor allem persönlichen oder gefühlsmässigen Wert besitzen, dürfen ihnen nicht abgenommen werden.

Eine internierte Frau darf nur von einer Frau durchsucht werden.

Bei ihrer Freilassung oder ihrer Heimschaffung sollen die Internierten das Guthaben ihres gemäss Artikel 98 geführten Kontos in Geld sowie alle Gegenstände, Geldbeträge, Schecks, Wertpapiere usw., die ihnen während ihrer Internierung abgenommen wurden, zurückerhalten, mit Ausnahme jener Gegenstände oder Werte, die der Gewahrsamsstaat auf Grund seiner in Kraft stehenden Gesetzgebung zurückbehält. Wenn das Eigentum eines Internierten auf Grund dieser Gesetzgebung zurückbehalten wird, soll der Betreffende eine detaillierte Bescheinigung erhalten.

Die im Besitze der Internierten befindlichen Familienurkunden und Identitätsausweise dürfen ihnen nur gegen Empfangsbestätigung abgenommen werden. Zu keinem Zeitpunkt dürfen die Internierten ohne Identitätsausweis belassen werden. Wenn sie keinen solchen besitzen, sollen sie besondere Ausweise erhalten, die von den Gewahrsamsbehörden auszustellen sind und ihnen bis zum Ende der Internierung die Identitätsausweise ersetzen.

Die Internierten sollen eine gewisse Summe Geld in bar oder in Form von Gutscheinen auf sich tragen dürfen, um Einkäufe besorgen zu können.


 

Allen Internierten sollen regelmässig Beträge ausbezahlt werden, damit sie Lebensmittel und Artikel wie Tabakwaren, Toilettenartikel usw. kaufen können. Diese Auszahlungen können in Form von Krediten oder Einkaufsgutscheinen erfolgen.

Überdies können die Internierten Unterstützungen der Macht, der sie angehören, der Schutzmächte, der Organisationen, die ihnen gegebenenfalls Hilfe gewähren, oder ihrer Familien wie auch, entsprechend der Gesetzgebung des Gewahrsamsstaates, die Einkünfte aus ihrem Eigentum entgegennehmen. Die Höhe der vom Heimatstaat ausgerichteten Unterstützungen soll für jede Interniertenkategorie (Schwache, Kranke, schwangere Frauen usw.) die gleiche sein. Für die Festsetzung dieser Beiträge durch den Heimatstaat und die Verteilung durch den Gewahrsamsstaat dürfen nicht die in Artikel 27 des vorliegenden Abkommens verbotenen Benachteiligungen die Grundlage bilden.

Für jeden Internierten hat der Gewahrsamsstaat ein ordentliches Konto zu unterhalten, welchem die in diesem Artikel erwähnten Beträge, die vom Internierten verdienten Löhne sowie die ihm gegebenenfalls zugehenden Geldsendungen gutgeschrieben werden. Auch die ihm abgenommenen Beträge, die auf Grund der in dem Gebiete, indem er sich befindet, in Kraft stehenden Gesetzgebung verfügbar sein können, sollen seinem Konto gutgeschrieben werden. Dem Internierten soll jede Erleichterung gewährt werden, die mit der im betreffenden Gebiet in Kraft stehenden Gesetzgebung vereinbar ist, um seiner Familie und den von ihm wirtschaftlich abhängigen Personen Unterstützungsgelder zuzusenden. Er soll von diesem Konto die für seine persönlichen Ausgaben notwendigen Beträge innerhalb der vom Gewahrsamsstaat festgelegten Grenzen abheben können. Ferner sollen ihm jederzeit angemessene Erleichterungen gewährt werden, um in sein Konto Einsicht zu nehmen oder Auszüge davon zu erhalten. Dieses Konto ist der Schutzmacht auf Ersuchen mitzuteilen und folgt dem Internierten im Falle seiner Versetzung.

Kapitel VII Verwaltung und Disziplin

 

Jeder Internierungsort soll der Befehlsgewalt eines verantwortlichen Offiziers oder Beamten unterstellt werden, der aus den regulären Militärstreitkräften oder der regulären Zivilverwaltung des Gewahrsamsstaates ausgewählt wird. Der den Internierungsort befehligende Offizier oder Beamte soll den Text des vorliegenden Abkommens in der offiziellen oder einer der offiziellen Sprachen seines Landes besitzen und für dessen Anwendung verantwortlich sein. Das Überwachungspersonal soll über die Bestimmungen des vorliegenden Abkommens sowie über die zu seiner Anwendung erlassenen Vorschriften unterrichtet werden.

Der Text des vorliegenden Abkommens sowie die Texte der gemäss dem vorliegenden Abkommen getroffenen besondern Abmachungen sollen innerhalb des Internierungsortes in einer Sprache, welche die Internierten verstehen, angeschlagen werden oder aber sich im Besitze des Interniertenausschusses befinden.

Vorschriften, Befehle, Ankündigungen und Bekanntmachungen jeder Art sollen den Internierten mitgeteilt und innerhalb der Internierungsorte in einer Sprache, die sie verstehen, angeschlagen werden.

Alle an einzelne Internierte gerichteten Befehle und Anordnungen sind gleichfalls in einer ihnen verständlichen Sprache zu erteilen.


 

Die Disziplinarordnung in den Internierungsorten muss mit den Grundsätzen der Menschlichkeit vereinbar sein und darf auf keinen Fall Vorschriften enthalten, die den Internierten ihrer Gesundheit abträgliche körperliche Ermüdung oder Schikanen physischer oder moralischer Art auferlegen. Die Tätowierung oder Anbringung von Identifikationsmerkmalen oder -kennzeichen auf dem Körper ist verboten. Insbesondere sind verboten andauerndes Stehenlassen oder verlängerte Appelle, körperliche Strafübungen, militärischer Drill und militärische Übungen sowie Nahrungseinschränkungen.


 

Die Internierten haben das Recht, den Behörden, in deren Gewalt sie sich befinden, ihre Anliegen betreffend das Regime, dem sie unterstellt sind, vorzubringen.

Sie haben ferner das unbeschränkte Recht, sich entweder durch Vermittlung des Interniertenausschusses oder, wenn sie es für notwendig erachten, direkt an die Vertreter der Schutzmacht zu wenden, um ihnen die Punkte zur Kenntnis zu bringen, über welche sie Beschwerden hinsichtlich der Internierungsbedingungen vorzubringen haben.

Diese Anliegen und Beschwerden sollen unverändert und mit aller Beschleunigung weitergeleitet werden. Selbst wenn sie sich als unbegründet erweisen, dürfen sie nicht Anlass zu irgendeiner Bestrafung geben.

Die Interniertenausschüsse können den Vertretern der Schutzmacht regelmässige Berichte über die Lage in den Internierungsorten und über die Bedürfnisse der Internierten zustellen.


 

An jedem Internierungsort sollen die Internierten alle sechs Monate und in geheimer Wahl die Mitglieder eines Ausschusses frei wählen können, der beauftragt ist, sie bei den Behörden des Gewahrsamsstaates, bei den Schutzmächten, beim Internationalen Komitee vom Roten Kreuz und bei jeder andern Organisation, die ihnen hilft, zu vertreten. Die Mitglieder dieses Ausschusses sind wieder wählbar.

Die gewählten Internierten sollen ihre Funktionen übernehmen, sobald ihre Wahl die Zustimmung der Gewahrsamsbehörden erhalten hat. Die Gründe für eine etwaige Weigerung oder Absetzung sollen den betreffenden Schutzmächten mitgeteilt werden.


 

Die Interniertenausschüsse sollen zum körperlichen, moralischen und geistigen Wohlergehen der Internierten beitragen.

Namentlich wenn die Internierten beschliessen sollten, unter sich ein gegenseitiges Unterstützungssystem zu organisieren, soll diese Organisation zur Zuständigkeit der Ausschüsse gehören, ungeachtet der besonderen Aufgaben, die ihnen durch andere Bestimmungen des vorliegenden Abkommens auferlegt sind.


 

Die Mitglieder der Interniertenausschüsse sollen nicht zu einer andern Arbeit gezwungen werden, wenn dies die Erfüllung ihrer Funktionen erschweren könnte.

Die Ausschussmitglieder können unter den Internierten die von ihnen benötigten Hilfskräfte bezeichnen. Alle materiellen Erleichterungen, vor allem eine gewisse für die Erfüllung ihrer Aufgaben (Besuche der Arbeitsgruppen, Inempfangnahme von Versorgungsgütern usw.) notwendige Freizügigkeit, sollen ihnen gewährt werden.

Für ihre postalische und telegrafische Korrespondenz mit den Gewahrsamsbehörden, den Schutzmächten, dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz und ihren Delegierten sowie mit den Hilfsorganisationen für Internierte soll den Ausschussmitgliedern gleicherweise jegliche Erleichterung gewährt werden. Die gleichen Erleichterungen sollen Ausschussmitglieder in Arbeitsgruppen für ihre Korrespondenz mit ihrem Ausschuss am Hauptinterniertenort geniessen. Diese Korrespondenzen sollen weder beschränkt noch als Teil des in Artikel 107 erwähnten Kontingentes betrachtet werden.

Kein Ausschussmitglied darf versetzt werden, ohne dass ihm die vernünftigerweise notwendige Zeit eingeräumt wurde, um seinen Nachfolger mit den laufenden Geschäften vertraut zu machen.

Kapitel VIII Beziehungen zur Aussenwelt

 

Unmittelbar nach der Internierung von geschützten Personen sollen die Gewahrsamsstaaten diesen Personen selbst, der Macht, der sie angehören, und ihrer Schutzmacht die zur Ausführung der Bestimmungen des vorliegenden Kapitels vorgesehenen Massnahmen zur Kenntnis bringen; in gleicher Weise sollen sie von jeder Änderung dieser Massnahmen Mitteilung machen.


 

Unmittelbar nach seiner Internierung oder spätestens eine Woche nach seiner Ankunft am Internierungsort und ebenso in Fällen von Krankheit oder Überführung an einen andern Internierungsort oder in ein Spital soll jedem Internierten die Gelegenheit eingeräumt werden, direkt an seine Familie und an die in Artikel 140 vorgesehene Zentralstelle eine Internierungskarte zu senden, die möglichst dem diesem Abkommen beigefügten Muster entspricht und die Empfänger von seiner Internierung, seiner Adresse und seinem Gesundheitszustand in Kenntnis setzt. Die Beförderung dieser Karten soll so rasch als möglich erfolgen und darf in keiner Weise verzögert werden.


 

Die Internierten sind ermächtigt, Briefe und Karten abzuschicken und zu empfangen. Falls der Gewahrsamsstaat es für notwendig erachtet, die Zahl der von jedem Internierten abgesandten Briefe und Karten zu beschränken, darf diese Anzahl nicht geringer sein als monatlich zwei Briefe und vier Karten, die soweit als möglich den dem vorliegenden Abkommen beigefügten Mustern entsprechen sollen. Wenn die an Internierte gerichtete Korrespondenz beschränkt werden muss, darf eine solche Beschränkung nur vom Heimatstaat, allenfalls auf Verlangen des Gewahrsamsstaates, angeordnet werden. Diese Briefe und Karten sind in angemessener Frist zu befördern und dürfen aus disziplinarischen Gründen weder auf- noch zurückgehalten werden.

Den Internierten, die seit längerer Zeit ohne Nachrichten von ihrer Familie sind oder denen es nicht möglich ist, von ihr solche zu erhalten oder ihr auf normalem Wege zugehen zu lassen, sowie jenen, die durch beträchtliche Entfernungen von den Ihren getrennt sind, soll gestattet werden, gegen Entrichtung der Telegrammgebühren in dem Geld, über das sie verfügen, Telegramme zu senden. Auch in Fällen anerkannter Dringlichkeit steht ihnen diese Vergünstigung zu.

In der Regel soll der Briefwechsel der Internierten in ihrer Muttersprache geführt werden. Die am Konflikt beteiligten Parteien können indessen Korrespondenzen auch in andern Sprachen zulassen.


 

Die Internierten sind berechtigt, durch die Post oder auf jede andere Weise Einzel- und Sammelsendungen zu empfangen, die namentlich Lebensmittel, Medikamente sowie Bücher und Gegenstände enthalten, die zur Befriedigung ihrer religiösen und Studienbedürfnisse und der Freizeitbeschäftigung dienen. Diese Sendungen können den Gewahrsamsstaat in keiner Weise von den Verpflichtungen befreien, die ihm das vorliegende Abkommen überträgt.

Sollten militärische Gründe eine Begrenzung der Anzahl dieser Sendungen erfordern, sind die Schutzmacht, das Internationale Komitee vom Roten Kreuz oder jede andere, den Internierten Hilfe bringende Organisation, die mit der Weiterleitung dieser Sendungen beauftragt sind, gebührend davon zu verständigen.

Wenn nötig sollen die Modalitäten der Beförderung von Einzel- oder Sammelsendungen Gegenstand von besondern Abmachungen zwischen den betreffenden Mächten sein, wodurch jedoch der Empfang solcher Hilfssendungen durch die Internierten auf keinen Fall verzögert werden darf. Lebensmittel- und Kleidersendungen sollen keine Bücher enthalten. Ärztliche Hilfslieferungen sollen in der Regel in Sammelpaketen versandt werden.


 

Bei Fehlen besonderer Abmachungen zwischen den am Konflikt beteiligten Parteien über das beim Empfang und bei der Verteilung von Kollektivhilfssendungen zu befolgende Vorgehen soll das dem vorliegenden Abkommen beigefügte Reglement betreffend kollektive Sendungen angewendet werden.

Die oben erwähnten besondern Abmachungen dürfen auf keinen Fall das Recht der Interniertenausschüsse beschränken, die für die Internierten bestimmten kollektiven Hilfssendungen in Empfang zu nehmen, sie zu verteilen und darüber im Interesse der Empfänger zu verfügen.

Ebensowenig dürfen diese Abmachungen das Recht der Vertreter der Schutzmacht, des Internationalen Komitees von Roten Kreuz und jeder andern mit der Weiterleitung dieser kollektiven Sendungen beauftragten Hilfsorganisation für Internierte beschränken, ihre Verteilung an die Empfänger zu überwachen.


 

Alle für die Internierten bestimmten Hilfssendungen sind von sämtlichen Einfuhr-, Zoll- und andern Gebühren befreit.

Alle Sendungen, einschliesslich der Hilfspostpakete und Geldsendungen aus andern Ländern, die an die Internierten gerichtet oder von ihnen auf dem Postweg entweder direkt oder durch Vermittlung der in Artikel 136 vorgesehenen Auskunftsbüros oder der in Artikel 140 vorgesehenen zentralen Auskunftsstelle abgeschickt werden, sollen sowohl im Ursprungs- und Bestimmungs- als auch im Durchgangsland von allen Postgebühren befreit sein. Zu diesem Zwecke sollen insbesondere die im Weltpostvertrag von 19471 und in den Vereinbarungen des Weltpostvereins zugunsten der in Lagern oder Zivilgefängnissen zurückgehaltenen Zivilpersonen feindlicher Staatsangehörigkeit vorgesehenen Befreiungen auf die anderen geschützten Personen ausgedehnt werden, die nach den Bestimmungen des vorliegenden Abkommens interniert wurden. Die Länder, die an diesen Vereinbarungen nicht teilnehmen, sind gehalten, die vorgesehenen Gebührenbefreiungen unter den gleichen Bedingungen zu gewähren.

Die Transportkosten der für die Internierten bestimmten Hilfssendungen, die wegen ihres Gewichtes oder aus irgendeinem andern Grunde nicht auf dem Postweg befördert werden können, fallen in allen im Herrschaftsbereich des Gewahrsamsstaates liegenden Gebieten zu dessen Lasten. Die andern am Abkommen beteiligten Mächte haben für die Transportkosten auf ihren Gebieten aufzukommen.

Die aus dem Transport dieser Sendungen erwachsenden Kosten, die nach den Bestimmungen der vorhergehenden Absätze nicht gedeckt sind, fallen zu Lasten des Absenders.

Die Hohen Vertragsparteien sollen sich bemühen, die Gebühren für die von den Internierten aufgegebenen oder ihnen zugestellten Telegramme im Rahmen des Möglichen zu ermässigen.


1 [AS 1948 599. AS 1953 235]. Heute: im Weltpostvertrag von 1994 (SR 0.783.52) und in den Abk. des Weltpostvereins (SR 0.783.522/.525).


 

Sollten militärische Operationen die betreffenden Mächte verhindern, die ihnen zufallenden Verpflichtungen für den Transport der in den Artikeln 106, 107, 108 und 113 vorgesehenen Sendungen zu erfüllen, können die betreffenden Schutzmächte, das Internationale Komitee vom Roten Kreuz oder jede andere von den am Konflikt beteiligten Parteien anerkannte Organisation es übernehmen, den Transport dieser Sendungen mit passenden Mitteln (Eisenbahnen, Lastwagen, Schiffen oder Flugzeugen usw.) zu gewährleisten. Zu diesem Zwecke sollen sich die Hohen Vertragsparteien bemühen, ihnen diese Transportmittel zu verschaffen und sie zum Verkehr zuzulassen, insbesondere durch Ausstellung der notwendigen Geleitbriefe.

Diese Transportmittel können ebenfalls verwendet werden zur Beförderung von:

a.
Briefschaften, Listen und Berichten, die zwischen der im Artikel 140 vorgesehenen zentralen Auskunftsstelle und den in Artikel 136 vorgesehenen nationalen Büros ausgetauscht werden;
b.
Briefschaften und die Internierten betreffenden Berichten, die von den Schutzmächten, dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz und jeder andern den Internierten Hilfe bringenden Organisation entweder mit ihren eigenen Delegierten oder mit den am Konflikt beteiligten Parteien ausgetauscht werden.

Diese Bestimmungen beschränken keinesfalls das Recht jeder am Konflikt beteiligten Partei, wenn sie es vorzieht, andere Transporte zu organisieren und Geleitbriefe zu vereinbarten Bedingungen abzugeben.

Die aus der Verwendung dieser Transportmittel erwachsenden Kosten sollen proportional der Wichtigkeit der Sendungen von den am Konflikt beteiligten Parteien, deren Angehörigen diese Dienste zugute kommen, getragen werden.


 

Die Zensur der an die Internierten gerichteten und von ihnen abgeschickten Briefschaften soll so rasch als möglich vorgenommen werden.

Die Durchsicht der für die Internierten bestimmten Sendungen darf nicht unter Bedingungen erfolgen, welche die darin enthaltenen Lebensmittel dem Verderb aussetzen, und muss in Gegenwart des Empfängers oder eines von ihm beauftragten Kameraden vorgenommen werden. Die Abgabe der Einzel- oder Sammelsendungen an die Internierten darf nicht unter dem Vorwand von Zensurschwierigkeiten verzögert werden.

Ein aus militärischen oder politischen Gründen von einer am Konflikt beteiligten Partei erlassenes Korrespondenzverbot darf nur vorübergehender Natur sein und soll so kurz als möglich befristet sein.


 

Die Gewahrsamsstaaten sollen jede angemessene Erleichterung gewähren für die Weiterleitung - sei es durch Vermittlung der Schutzmacht oder der in Artikel 140 vorgesehenen Zentralstelle oder durch andere erforderliche Mittel - von Testamenten, Vollmachten oder allen andern für die Internierten bestimmten oder von ihnen ausgehenden Dokumenten.

In allen Fällen sollen die Gewahrsamsmächte den Internierten die Erstellung und die Beglaubigung dieser Dokumente in der vorgeschriebenen gesetzlichen Form erleichtern; sie sollen ihnen namentlich die Befragung eines Rechtsanwalts gestatten.


 

Der Gewahrsamsstaat soll den Internierten alle Erleichterungen für die Verwaltung ihres Eigentums gewähren, die mit den Internierungsbedingungen und der in Kraft befindlichen Gesetzgebung zu vereinbaren sind. Er kann ihnen zu diesem Zwecke gestatten, in dringenden Fällen und wenn es die Umstände erlauben, den Internierungsort zu verlassen.


 

In allen Fällen, in denen ein Internierter Partei in einem Verfahren vor irgendeinem Gericht ist, soll der Gewahrsamsstaat auf Ersuchen des Betreffenden das Gericht von seiner Internierung in Kenntnis setzen und innerhalb der gesetzlichen Grenzen darüber wachen, dass alle notwendigen Massnahmen ergriffen werden, damit er seiner Internierung wegen keinerlei Nachteile in bezug auf die Vorbereitung und die Durchführung seines Verfahrens oder die Vollziehung eines vom Gericht gefällten Urteils erleidet.


 

Jeder Internierte ist ermächtigt, in regelmässigen Abständen und so oft als möglich Besuche, vor allem seiner nächsten Angehörigen, zu empfangen.

In dringlichen Fällen, besonders im Falle des Todes oder schwerer Krankheit eines Verwandten, soll dem Internierten soweit möglich gestattet werden, sich zu seiner Familie zu begeben.

Kapitel IX Straf- und Disziplinarmassnahmen

 

Unter Vorbehalt der Bestimmungen dieses Kapitels gilt für Internierte, die während der Internierung eine strafbare Handlung begehen, die in dem Gebiet, in dem sie sich befinden, in Kraft stehende Gesetzgebung weiter.

Erklären Gesetze, Vorschriften oder allgemeine Befehle von Internierten begangene Handlungen als strafbar, wenn die gleichen Handlungen nicht strafbar sind, sofern sie durch nicht internierte Personen begangen werden, dürfen diese Handlungen lediglich eine disziplinarische Bestrafung nach sich ziehen.

Ein Internierter darf nicht mehr als einmal wegen derselben Handlung oder auf Grund desselben Anklagepunktes bestraft werden.


 

Bei der Strafzumessung sollen die Gerichte oder Behörden soweit als möglich die Tatsache in Berücksichtigung ziehen, dass der Angeklagte kein Angehöriger der Gewahrsamsmacht ist. Es steht ihnen frei, das Strafmass, das für die dem Internierten vorgeworfene strafbare Handlung vorgesehen ist, zu verringern; sie sind daher nicht an die vorgeschriebene Mindeststrafe gebunden.

Jedes Einsperren in Räume ohne Tageslicht und ganz allgemein alle Arten von Grausamkeiten sind verboten.

Internierte, die eine disziplinarische oder gerichtliche Strafe verbüsst haben, sollen nicht anders als die übrigen Internierten behandelt werden.

Die Dauer der von einem Internierten erlittenen Untersuchungshaft ist auf jede Freiheitsstrafe anzurechnen, zu der er allenfalls disziplinarisch oder gerichtlich verurteilt wird.

Die Interniertenausschüsse sollen von allen gerichtlichen Verfahren, die gegen Internierte, die sie vertreten, eingeleitet werden, und von deren Ergebnis in Kenntnis gesetzt werden.


 

Den Internierten können folgende Disziplinarstrafen auferlegt werden:

1.
Busse bis zu 50 Prozent des in Artikel 95 vorgesehenen Lohnes, für die Dauer von höchstens 30 Tagen;
2.
Entzug von Vorteilen, welche über die im vorliegenden Abkommen vorgesehene Behandlung hinausgehend gewährt wurden;
3.
befohlener Arbeitsdienst von höchstens zwei Stunden täglich, der für den Unterhalt des Internierungsortes geleistet wird;
4.
Arrest.

Keinesfalls dürfen Disziplinarstrafen unmenschlich, brutal oder für die Gesundheit der Internierten gefährlich sein; Alter, Geschlecht und Gesundheitszustand des Internierten sind zu berücksichtigen.

Die Dauer einer einzigen Strafe darf niemals das Höchstmass von 30 aufeinanderfolgenden Tagen übersteigen, auch dann nicht, wenn ein Internierter im Zeitpunkt der Entscheidung über seinen Fall sich wegen verschiedener Disziplinarvergehen zu verantworten hätte, gleichgültig, ob diese Handlungen miteinander in Zusammenhang stehen oder nicht.


 

Die Internierten, die nach einer Flucht oder bei einem Fluchtversuch wieder ergriffen werden, dürfen wegen dieser Handlung, selbst im Wiederholungsfalle, lediglich disziplinarisch bestraft werden.

In Abweichung von Artikel 118 Absatz 3 können Internierte, die wegen Flucht oder Fluchtversuches bestraft wurden, einer besonderen Aufsicht unterstellt werden, jedoch nur unter der Bedingung, dass diese Überwachung ihren Gesundheitszustand nicht beeinträchtigt, an einem Internierungsort durchgeführt wird und keinen Entzug irgendeiner der ihnen durch das vorliegende Abkommen gewährten Vergünstigungen zur Folge hat.

Internierte, die an einer Flucht oder an einem Fluchtversuch mitgewirkt haben, dürfen deswegen nur disziplinarisch bestraft werden.


 

Flucht oder Fluchtversuch soll, selbst im Wiederholungsfall, nicht als erschwerender Umstand betrachtet werden, wenn der Internierte wegen eines während seiner Flucht begangenen Vergehens vor Gericht gestellt wird.

Die am Konflikt beteiligten Parteien sollen dafür sorgen, dass die zuständigen Behörden bei der Prüfung der Frage, ob eine von einem Internierten begangene strafbare Handlung disziplinarisch oder gerichtlich zu bestrafen ist, Nachsicht üben, besonders in bezug auf die Handlungen, die mit einer Flucht oder einem Fluchtversuch im Zusammenhang stehen.


 

Handlungen, die einen Verstoss gegen die Disziplin darstellen, sind unverzüglich zu untersuchen. Dies gilt besonders für die Flucht oder den Fluchtversuch. Wiederergriffene Internierte sollen so rasch als möglich den zuständigen Behörden übergeben werden.

Für alle Internierten soll die Untersuchungshaft in Disziplinarfällen auf das absolute Mindestmass beschränkt werden und vierzehn Tage nicht überschreiten; in allen Fällen soll ihre Dauer auf eine allenfalls verhängte Freiheitsstrafe angerechnet werden.

Die Bestimmungen der Artikel 124 und 125 sollen auf Internierte angewendet werden, die sich wegen eines Disziplinarvergehens in Untersuchungshaft befinden.


 

Unter Vorbehalt der Zuständigkeit der Gerichte und höheren Behörden können Disziplinarstrafen nur vom Kommandanten des Internierungsortes oder von einem verantwortlichen Offizier oder Beamten, dem er seine Disziplinarstrafgewalt übertragen hat, verhängt werden.

Bevor eine Disziplinarstrafe verhängt wird, soll der angeklagte Internierte genau über die Tatsachen ins Bild gesetzt werden, die ihm vorgeworfen werden. Es soll ihm gestattet werden, sein Verhalten zu rechtfertigen, sich zu verteidigen, Zeugen einvernehmen zu lassen und, falls notwendig, die Hilfe eines befähigten Dolmetschers zu beanspruchen. Die Entscheidung soll in Gegenwart des Angeklagten und eines Mitgliedes des Interniertenausschusses ausgesprochen werden.

Zwischen der Disziplinarentscheidung und ihrem Vollzug darf nicht mehr als ein Monat verstreichen.

Wird über einen Internierten eine weitere Disziplinarstrafe verhängt, so soll zwischen dem Vollzug jeder der Strafen ein Zeitraum von mindestens drei Tagen liegen, sobald die Dauer der einen zehn Tage oder mehr beträgt.

Der Kommandant des Interniertenortes hat ein Disziplinarstrafregister zu führen, das von den Vertretern der Schutzmacht eingesehen werden kann.


 

Auf keinen Fall dürfen Internierte in Strafanstalten (Kerker, Zuchthäuser, Gefängnisse) übergeführt werden, um dort Disziplinarstrafen zu verbüssen.

Alle Räume, in welchen Disziplinarstrafen zu verbüssen sind, sollen den sanitären Anforderungen genügen und namentlich mit einer genügenden Lagerstatt ausgestattet sein; den bestraften Internierten soll ermöglicht werden, sich sauber zu halten.

Internierte Frauen, die eine Disziplinarstrafe verbüssen, sollen in von den Männerabteilungen getrennten Räumen festgehalten und unter die unmittelbare Überwachung von Frauen gestellt werden.


 

Disziplinarisch bestrafte Internierte sollen sich täglich während mindestens zwei Stunden in der frischen Luft bewegen und aufhalten können.

Sie sollen die Erlaubnis haben, sich auf Verlangen bei der täglichen Arztvisite zu melden; sie sollen die Pflege erhalten, die ihr Gesundheitszustand erfordert, und gegebenenfalls in die Krankenabteilung des Internierungsortes oder in ein Spital verbracht werden.

Sie sollen die Erlaubnis haben, zu lesen und zu schreiben, Briefe abzusenden und zu erhalten. Pakete und Geldsendungen dagegen können ihnen bis nach Verbüssung der Strafe vorenthalten werden; in der Zwischenzeit sollen sie dem Interniertenausschuss anvertraut werden, der die in den Paketen befindlichen verderblichen Lebensmittel der Krankenabteilung übergibt.

Kein disziplinarisch bestrafter Internierter darf der Vorteile der Bestimmungen der Artikel 107 und 143 beraubt werden.


 

Die Artikel 71-76 sollen einschliesslich in analoger Weise auf Verfahren Anwendung finden, welche gegen Internierte durchgeführt werden, die sich auf dem Staatsgebiete des Gewahrsamsstaates befinden.

Kapitel X Überführung von Internierten

 

Die Überführung von Internierten soll immer mit Menschlichkeit durchgeführt werden. Im allgemeinen soll sie mit der Eisenbahn oder andern Transportmitteln und mindestens unter den gleichen Bedingungen erfolgen wie die Verlegung der Truppen der Gewahrsamsmacht. Müssen Überführungen ausnahmsweise zu Fuss durchgeführt werden, können sie erst stattfinden, wenn der Gesundheitszustand der Internierten es erlaubt; auf keinen Fall dürfen sie ihnen übermässige Anstrengungen auferlegen.

Der Gewahrsamsstaat soll die Internierten während der Überführung mit Trinkwasser und Nahrung in genügender Menge, Güte und Abwechslung zur Erhaltung eines guten Gesundheitszustandes sowie mit Bekleidung, angemessenem Obdach und der notwendigen ärztlichen Pflege versehen. Er soll alle nützlichen Vorsichtsmassnahmen treffen, um die Sicherheit der Internierten während der Überführung zu gewährleisten, und vor der Abreise eine vollständige Liste der übergeführten Internierten aufstellen.

Kranke, verwundete oder gebrechliche Internierte sowie Wöchnerinnen sollen nicht übergeführt werden, wenn die Reise ihre Genesung beeinträchtigen könnte, es sei denn, ihre Sicherheit verlange es gebieterisch.

Nähert sich die Front einem Internierungsort, dürfen die dort befindlichen Internierten nur dann weggebracht werden, wenn dies unter ausreichenden Sicherheitsbedingungen geschehen kann oder wenn die Internierten durch den Verbleib an Ort und Stelle grösseren Gefahren ausgesetzt sind als bei einer Überführung.

Bei der Entscheidung über eine Überführung von Internierten soll der Gewahrsamsstaat die Interessen derselben berücksichtigen und namentlich ein Anwachsen der Schwierigkeiten für ihre Heimschaffung oder ihre Rückkehr in ihren Wohnort vermeiden.


 

Im Falle der Überführung sollen die Internierten offiziell von ihrer Abreise und ihrer neuen Postadresse in Kenntnis gesetzt werden. Diese Anzeige soll ihnen so frühzeitig gemacht werden, dass sie ihr Gepäck vorbereiten und ihre Familien benachrichtigen können.

Sie sind berechtigt, ihre persönlichen Effekten, ihre Briefschaften und die erhaltenen Pakete mitzunehmen; das Gewicht dieses Gepäcks kann, falls die Umstände der Überführung es erfordern, beschränkt werden, doch keinesfalls auf weniger als 25 kg für jeden Internierten.

Die Briefschaften und Pakete, die an ihren ehemaligen Internierungsort adressiert sind, sollen ihnen ohne Verzug nachgeschickt werden.

Der Kommandant des Internierungsortes hat gemeinsam mit dem Interniertenausschuss die notwendigen Massnahmen zu ergreifen, um die Überführung des Gemeinschaftseigentums der Internierten und des Gepäcks, das die Internierten infolge einer auf Grund von Absatz 2 dieses Artikels verordneten Beschränkung nicht mit sich nehmen dürfen, durchzuführen.

Kapitel XI Todesfälle

 

Die Internierten sollen ihre Testamente den verantwortlichen Behörden zur sichern Aufbewahrung übergeben können. Im Falle des Ablebens von Internierten sollen diese Testamente ohne Verzug den durch die Internierten bezeichneten Personen übermittelt werden.

Der Tod jedes Internierten soll durch einen Arzt festgestellt werden, und es ist ein Totenschein auszufertigen, der die Todesursachen und die Umstände, unter welchen der Tod eintrat, angibt.

Gemäss den auf dem Staatsgebiet, in dem der betreffende Internierungsort liegt, geltenden Vorschriften soll eine ordnungsgemäss registrierte offizielle Todesurkunde ausgefertigt und eine beglaubigte Abschrift davon ohne Verzug der Schutzmacht sowie der in Artikel 140 vorgesehenen Zentralstelle übermittelt werden.


 

Die Gewahrsamsbehörden sollen dafür sorgen, dass die in der Gefangenschaft verstorbenen Internierten mit allen Ehren, wenn möglich gemäss den Riten der Religion, der sie angehörten, bestattet und dass ihre Gräber geachtet, angemessen unterhalten und so gekennzeichnet werden, dass sie jederzeit wieder gefunden werden können.

Die verstorbenen Internierten sollen einzeln begraben werden, sofern nicht die Beisetzung in einem Gemeinschaftsgrab infolge höherer Gewalt unumgänglich ist. Die Leichen dürfen nur aus zwingenden hygienischen Gründen oder auf Grund der Religion des Verstorbenen oder auf seinen eigenen Wunsch hin eingeäschert werden. Im Falle einer Einäscherung soll dies unter Angabe der Gründe auf der Todesurkunde des Verstorbenen vermerkt werden. Die Asche soll von den Gewahrsamsbehörden sorgfältig aufbewahrt und den nahen Verwandten auf ihr Verlangen hin so rasch als möglich übergeben werden.

Sobald die Umstände es gestatten, spätestens aber bei der Beendigung der Feindseligkeiten, soll der Gewahrsamsstaat durch Vermittlung der in Artikel 136 vorgesehenen Auskunftsbüros den Mächten, denen die verstorbenen Internierten angehörten, Listen der früher verstorbenen Internierten übermitteln. Diese Listen soffen alle Einzelheiten enthalten, die zur Identifizierung der verstorbenen Internierten und zur genauen Lokalisierung ihrer Gräber notwendig sind.


 

Nach jedem Todesfall oder jeder schweren Verletzung eines Internierten, die durch eine Wache, einen andern Internierten oder irgendeine andere Person verursacht wurden oder verursacht sein könnten, sowie nach jedem Todesfall, dessen Ursache unbekannt ist, soll vom Gewahrsamsstaat unverzüglich eine offizielle Untersuchung eingeleitet werden.

Der Schutzmacht soll darüber sofort Anzeige gemacht werden. Die Aussagen aller Zeugen sollen aufgenommen werden. Ein diese Aussagen enthaltender Bericht soll abgefasst und der genannten Macht übermittelt werden.

Erweist die Untersuchung die Schuld einer oder mehrerer Personen, soll der Gewahrsamsstaat alle Massnahmen zur gerichtlichen Verfolgung der verantwortlichen Person oder Personen ergreifen.

Kapitel XII Freilassung, Heimschaffung und Hospitalisierung in neutralen Ländern

 

Jede internierte Person soll vom Gewahrsamsstaat freigelassen werden, sobald die Gründe, welche ihre Internierung verursacht haben, nicht mehr bestehen.

Ausserdem sollen sich die am Konflikt beteiligten Parteien bemühen, während der Dauer der Feindseligkeiten Vereinbarungen über die Freilassung, die Heimschaffung, die Rückkehr an den Wohnort oder die Hospitalisierung gewisser Kategorien von Internierten in neutralen Ländern, insbesondere von Kindern, schwangeren Frauen und Müttern mit Säuglingen und kleinen Kindern, Verwundeten und Kranken oder seit langer Zeit festgehaltenen Internierten zu treffen.


 

Die Internierung soll nach Beendigung der Feindseligkeiten so rasch als möglich aufhören.

Die auf dem Gebiete einer am Konflikt beteiligten Partei befindlichen Internierten, gegen die eine Strafverfolgung wegen Rechtsverletzungen anhängig ist, die nicht ausschliesslich disziplinarischer Massregelung unterliegen, können jedoch bis zum Abschluss des Verfahrens und gegebenenfalls bis zur Verbüssung der Strafe zurückgehalten werden. Das gleiche gilt für Internierte, die vorher zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wurden.

Nach Beendigung der Feindseligkeiten oder der Besetzung eines Gebietes sollen durch Übereinkunft zwischen dem Gewahrsamsstaat und den interessierten Mächten Kommissionen eingesetzt werden, um verstreute Internierte zu suchen.


 

Die Hohen Vertragsparteien sollen sich bemühen, bei Beendigung der Feindseligkeiten oder der Besetzung die Rückkehr aller Internierten an ihren letzten Wohnsitz zu gewährleisten oder ihre Heimschaffung zu erleichtern.


 

Der Gewahrsamsstaat soll die Kosten für die Rückkehr der freigelassenen Internierten an die Orte, wo sie im Augenblick ihrer Internierung wohnten, oder, falls er sie im Verlaufe einer Reise oder auf hoher See festgehalten hat, für die Fortsetzung ihrer Reise oder für ihre Rückkehr an den Ausgangsort die Kosten übernehmen.

Wenn der Gewahrsamsstaat einem freigelassenen Internierten, der bereits vorher auf seinem Gebiet seinen ordentlichen Wohnsitz hatte, die Bewilligung verweigert, dort zu wohnen, so hat er die Kosten für seine Heimschaffung zu übernehmen. Wenn hingegen der Internierte es vorzieht, in sein Land zurückzukehren, und zwar auf eigene Verantwortung oder um einer Weisung der Regierung, welcher er Gehorsam schuldet, Folge zu leisten, so ist der Gewahrsamsstaat nicht verpflichtet, diese Kosten ausserhalb seines Gebietes zu übernehmen. Er ist auch nicht verpflichtet, die Kosten für die Heimschaffung eines Internierten, der auf eigenen Wunsch interniert wurde, zu zahlen.

Werden Internierte gemäss Artikel 45 überführt, so sollen sich die Macht, die sie übergibt, und jene, die sie übernimmt, über den Anteil der Kosten einigen, welche jede von ihnen zu tragen hat.

Diese Bestimmungen sollen besondere Abmachungen nicht beeinträchtigen, die zwischen den am Konflikt beteiligten Parteien in bezug auf den Austausch und die Heimschaffung ihrer in feindlicher Gewalt befindlichen Staatsangehörigen getroffen werden.

Abschnitt V Auskunftsbüros und zentrale Auskunftsstelle

 

Bei Ausbruch eines Konflikts und in allen Fällen einer Besetzung soll jede der am Konflikt beteiligten Parteien ein offizielles Auskunftsbüro einrichten, das beauftragt ist, Auskünfte über die geschützten Personen, die sich in ihrer Gewalt befinden, zu empfangen und weiterzugeben.

Jede der am Konflikt beteiligten Parteien soll dem genannten Büro in der kürzestmöglichen Frist Mitteilungen über die Massnahmen übermitteln, die sie gegen jede seit mehr als zwei Wochen festgenommene, einem Zwangsaufenthalt unterworfene oder internierte geschützte Person ergriffen hat. Ausserdem soll sie ihre verschiedenen zuständigen Dienststellen beauftragen, dem genannten Büro umgehend Mitteilung über die im Stande dieser Personen eingetretenen Änderungen, wie Überführungen, Freilassungen, Heimschaffungen, Entweichungen, Hospitalisierungen, Geburten und Todesfälle, zu machen.


 

Das nationale Auskunftsbüro soll unverzüglich auf raschestem Wege und durch Vermittlung der Schutzmächte einerseits und der in Artikel 140 vorgesehenen Zentralstelle anderseits der Macht, welcher die oben erwähnten Personen angehören, oder der Macht, auf deren Gebiet sie ihren Wohnsitz hatten, Auskünfte über die geschützten Personen zugehen lassen. Die Büros sollen ebenfalls alle Anfragen beantworten, die in bezug auf geschützte Personen an sie gerichtet werden.

Die Auskunftsbüros sollen die eine geschützte Person betreffenden Auskünfte weiterleiten, ausser wenn ihre Weiterleitung der betreffenden Person oder ihrer Familie nachteilig sein könnte. Der Zentralstelle dürfen selbst in einem solchen Falle die Auskünfte nicht verweigert werden; sie wird, von den Umständen verständigt, die in Artikel 140 bezeichneten notwendigen Vorsichtsmassregeln treffen.

Alle schriftlichen Mitteilungen eines Büros sind durch Unterschrift oder Siegel zu beglaubigen.


 

Die vom nationalen Auskunftsbüro erhaltenen und weitergegebenen Mitteilungen soffen so gehalten sein, dass sie die genaue Identifikation der geschützten Person und die umgehende Benachrichtigung ihrer Familie erlauben. Für jede Person sollen sie mindestens den Familiennamen, die Vornamen, den Geburtsort und das vollständige Geburtsdatum, die Staatsangehörigkeit, den letzten Wohnsitz, die besondern Merkmale, den Vornamen des Vaters, den Mädchennamen der Mutter, Zeitpunkt und Art der in bezug auf die Person getroffene Massnahme, wie auch den Ort, wo diese durchgeführt wurden, die Adresse, unter welcher ihre Briefschaften zugestellt werden können, sowie den Namen und die Adresse der Person, welche benachrichtigt werden soll, enthalten.

Gleicherweise sollen regelmässig und, wenn möglich, wöchentlich Auskünfte über den Gesundheitszustand der schwerkranken oder schwer verletzten Internierten weitergeleitet werden.


 

Das nationale Auskunftsbüro ist ferner beauftragt, alle von den in Artikel 136 erwähnten geschützten Personen, besonders bei ihrer Heimschaffung, Freilassung, Entweichung oder ihrem Tod, zurückgelassenen persönlichen Wertgegenstände zu sammeln und sie den in Frage kommenden Personen direkt oder, wenn nötig, durch Vermittlung der Zentralstelle zu übermitteln. Diese Gegenstände sollen vom Büro in versiegelten Paketen versandt werden und von einer Erklärung, welche die Identität der Person, der die Gegenstände gehörten, genau festgestellt, sowie von einem vollständigen Verzeichnis des Paketinhalts begleitet sein. Der Empfang und Versand aller Wertgegenstände dieser Art sollen detailliert im Register eingetragen werden.


 

Für geschützte Personen, insbesondere für Internierte, soll eine zentrale Auskunftsstelle in einem neutralen Land geschaffen werden. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz soll den in Frage kommenden Mächten, sofern es ihm notwendig erscheint, die Organisation dieser Zentralstelle vorschlagen, die dieselbe wie die in Artikel 123 des Genfer Abkommens vom 12. August 19491 über die Behandlung der Kriegsgefangenen vorgesehene Zentralstelle sein kann.

Diese Zentralstelle ist beauftragt, alle Auskünfte der in Artikel 136 vorgesehenen Art, die sie auf offiziellem oder privatem Wege beschaffen kann, zu sammeln. Sie soll sie so rasch wie möglich an das Herkunfts- oder Niederlassungsland der betreffenden Person weiterleiten, ausgenommen in Fällen, wo diese Weiterleitung den Personen, die diese Auskünfte betreffen, oder ihrer Familie schaden könnte. Von seiten der am Konflikt beteiligten Parteien soll diese Zentralstelle alle angemessenen Erleichterungen zur Durchführung dieser Weiterleitungen erhalten.

Die Hohen Vertragsparteien und im besondern jene, deren Angehörigen die Dienste der Zentralstelle zugute kommen, werden aufgefordert, ihr die finanzielle Hilfe angedeihen zu lassen, deren sie bedarf.

Die vorstehenden Bestimmungen dürfen nicht als eine Beschränkung der humanitären Tätigkeit des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz und der in Artikel 142 erwähnten Hilfsgesellschaften ausgelegt werden.


1 SR 0.518.42


 

Die nationalen Auskunftsbüros und die zentrale Auskunftsstelle sollen für alle Postsendungen Portofreiheit geniessen; auch sollen ihnen die in Artikel 110 vorgesehenen Befreiungen sowie im Rahmen des Möglichen Gebührenfreiheit oder zumindest bedeutende Gebührenermässigungen für telegrafische Mitteilungen zugute kommen.

Teil IV Vollzug des Abkommens

Abschnitt I Allgemeine Bedingungen

 

Unter Vorbehalt der Massnahmen, die die Gewahrsamstaaten für unerlässlich erachten, um ihre Sicherheit zu gewährleisten oder jedem andern vernünftigen Erfordernis zu begegnen, sollen sie den religiösen Organisationen, Hilfsgesellschaften oder jeder andern, den geschützten Personen Hilfe bringenden Körperschaften die beste Aufnahme gewähren. Sie sollen ihnen wie auch ihren gebührend akkreditierten Delegierten alle notwendigen Erleichterungen gewähren, damit sie die geschützten Personen besuchen, Hilfssendungen und für Erziehungs-, Erholungs- oder Religionszwecke dienende Gegenstände irgendwelcher Herkunft an sie verteilen oder ihnen bei der Gestaltung der Freizeit innerhalb der Internierungsorte helfen können. Die genannten Gesellschaften oder Organisationen können auf dem Gebiete des Gewahrsamsstaates oder in einem andern Land gegründet werden oder aber internationalen Charakter haben.

Der Gewahrsamsstaat kann die Anzahl der Gesellschaften und Organisationen, deren Delegierte ermächtigt sind, ihre Tätigkeit auf seinem Gebiet und unter seiner Aufsicht auszuüben, begrenzen; durch eine solche Begrenzung darf jedoch die wirksame und ausreichende Hilfeleistung an alle geschützten Personen nicht behindert werden.

Die besondere Stellung des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz auf diesem Gebiete soll jederzeit anerkannt und respektiert werden.


 

Die Vertreter oder Delegierten der Schutzmächte sind ermächtigt, sich an alle Orte zu begeben, wo sich geschützte Personen befinden, namentlich an alle Internierungs-, Gefangenhaltungs- und Arbeitsorte.

Sie sollen zu allen von geschützten Personen benützten Räumlichkeiten Zutritt haben und sich mit ihnen ohne Zeugen, wenn nötig durch Vermittlung eines Dolmetschers, unterhalten können.

Diese Besuche dürfen nur aus zwingenden militärischen Gründen und bloss ausnahmsweise und vorübergehend untersagt werden. Ihre Häufigkeit und Dauer dürfen nicht begrenzt werden.

Den Vertretern und Delegierten der Schutzmächte ist betreffend die Wahl der Orte, die sie zu besuchen wünschen, jede Freiheit zu lassen. Der Gewahrsams- oder Besetzungsstaat, die Schutzmacht und gegebenenfalls der Heimatstaat der zu besuchenden Personen können übereinkommen, Landsleute von Internierten zur Teilnahme an diesen Besuchen zuzulassen.

Die Delegierten des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz sollen die gleichen Vorrechte geniessen. Die Bezeichnung dieser Delegierten bedarf der Genehmigung der Macht, in deren Gewalt sich die Gebiete befinden, wo sie ihre Tätigkeit auszuüben haben.


 

Die Hohen Vertragsparteien verpflichten sich, in Friedens- und in Kriegszeiten den Wortlaut des vorliegenden Abkommens in ihren Ländern im weitestmöglichen Ausmass zu verbreiten und insbesondere sein Studium in die militärischen und wenn möglich zivilen Ausbildungsprogramme aufzunehmen, damit die Gesamtheit der Bevölkerung seine Grundsätze kennen lernen kann.

Die zivilen, militärischen, polizeilichen oder andern Behörden, die in Kriegszeiten eine Verantwortung in bezug auf geschützte Personen übernehmen, müssen den Wortlaut des Abkommens besitzen und über dessen Bestimmungen besonders unterrichtet werden.


 

Die Hohen Vertragsparteien sollen sich gegenseitig durch Vermittlung des Schweizerischen Bundesrates und während der Feindseligkeiten durch Vermittlung der Schutzmächte die amtlichen Übersetzungen des vorliegenden Abkommens sowie die Gesetze und Verordnungen zustellen, die sie zur Gewährleistung seiner Anwendung unter Umständen erlassen.


 

Die Hohen Vertragsparteien verpflichten sich, alle notwendigen gesetzgeberischen Massnahmen zur Festsetzung von angemessenen Strafbestimmungen für solche Personen zu treffen, die irgendeine der im folgenden Artikel umschriebenen schweren Verletzungen des vorliegenden Abkommens begehen oder zu einer solchen Verletzung den Befehl erteilen.

Jede Vertragspartei ist zur Ermittlung der Person verpflichtet, die der Begehung oder der Erteilung eines Befehles zur Begehung der einen oder andern dieser schweren Verletzungen beschuldigt sind und hat sie ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit vor ihre eigenen Gerichte zu ziehen. Wenn sie es vorzieht, kann sie sie auch gemäss den ihrer eigenen Gesetzgebung vorgesehenen Bedingungen zur Aburteilung einer andern an der Verfolgung interessierten Vertragspartei übergeben, sofern diese gegen die erwähnten Personen ausreichende Beschuldigungen nachgewiesen hat.

Jede Vertragspartei soll die notwendigen Massnahmen ergreifen, um auch diejenigen Zuwiderhandlungen gegen die Bestimmungen des vorliegenden Abkommens zu unterbinden, die nicht zu den im folgenden Artikel umschriebenen schweren Verletzungen zählen.

Unter allen Umständen müssen die Angeklagten nicht geringere Sicherheiten in bezug auf Gerichtsverfahren und freie Verteidigung geniessen als die in Artikel 105 ff. des Genfer Abkommens vom 12. August 19491 über die Behandlung der Kriegsgefangenen vorgesehenen.


1 SR 0.518.42


 

Als schwere Verletzungen, wie sie im vorhergehenden Artikel erwähnt sind, gelten jene, die die eine oder andere der folgenden Handlungen umfassen, sofern sie gegen Personen oder Güter begangen werden, die durch das vorliegende Abkommen geschützt sind: vorsätzlicher Mord, Folterung oder unmenschliche Behandlung, einschliesslich biologischer Experimente, vorsätzliche Verursachung grosser Leiden oder schwere Beeinträchtigung der körperlichen Integrität der Gesundheit, ungesetzliche Deportation oder Versetzung, ungesetzliche Gefangenhaltung, Nötigung einer geschützten Person zur Dienstleistung in den bewaffneten Kräften der feindlichen Macht oder Entzug ihres Anrechts auf ein ordentliches und unparteiisches, den Vorschriften des vorliegenden Abkommens entsprechendes Gerichtsverfahren, das Nehmen von Geiseln sowie Zerstörung und Aneignung von Gut, die nicht durch militärische Erfordernisse gerechtfertigt sind und in grossem Ausmass auf unerlaubte und willkürliche Weise vorgenommen werden.


 

Eine Hohe Vertragspartei kann weder sich selbst noch eine andere Vertragspartei von den Verantwortlichkeiten befreien, die ihr selbst oder einer andern Vertragspartei auf Grund der im vorhergehenden Artikel erwähnten Verletzungen zufallen.


 

Auf Begehren einer am Konflikt beteiligten Partei soll gemäss einem zwischen den beteiligten Parteien festzusetzenden Verfahren eine Untersuchung eingeleitet werden über jede behauptete Verletzung des Abkommens.

Kann über das Untersuchungsverfahren keine Übereinstimmung erzielt werden, so sollen sich die Parteien über die Wahl eines Schiedsrichters einigen, der über das zu befolgende Verfahren zu entscheiden hat.

Sobald die Verletzung festgestellt ist, sollen ihr die am Konflikt beteiligten Parteien ein Ende setzen und sie so rasch als möglich ahnden.

Abschnitt II Schlussbestimmungen

 

Das vorliegende Abkommen ist in französischer und englischer Sprache abgefasst. Beide Texte sind gleicherweise authentisch.

Der Schweizerische Bundesrat wird offizielle Übersetzungen des Abkommens in russischer und spanischer Sprache herstellen lassen.


 

Das vorliegende Abkommen, welches das Datum des heutigen Tages trägt, kann bis zum 12. Februar 1950 im Namen der Mächte unterzeichnet werden, die an der am 21. April 1949 in Genf eröffneten Konferenz vertreten waren.


 

Das vorliegende Abkommen soll sobald als möglich ratifiziert werden. Die Ratifikationsurkunden sollen in Bern hinterlegt werden.

Über die Hinterlegung jeder Ratifikationsurkunde soll ein Protokoll aufgenommen werden. Von diesem soll eine beglaubigte Abschrift durch den Schweizerischen Bundesrat allen Mächten zugestellt werden, in deren Namen das Abkommen unterzeichnet oder der Beitritt erklärt worden ist.


 

Das vorliegende Abkommen tritt sechs Monate nach Hinterlegung von mindestens zwei Ratifikationsurkunden in Kraft.

Späterhin tritt es für jede Hohe Vertragspartei sechs Monate nach Hinterlegung ihrer Ratifikationsurkunde in Kraft.


 

In den Beziehungen zwischen Mächten, die durch das Haager Abkommen betreffend die Gesetze und Gebräuche des Landkrieges gebunden sind, handle es sich um das vom 29. Juli 18991 oder das vom 18. Oktober 19072, und die am vorliegenden Abkommen teilnehmen, ergänzt dieses die Abschnitte II und III des den erwähnten Haager Abkommen beigefügten Reglements.


1 SR 0.515.111
2 SR 0.515.112


 

Vom Zeitpunkt seines Inkrafttretens an steht das vorliegende Abkommen auch jeder Macht zum Beitritt offen, in deren Namen es nicht unterzeichnet worden ist.


 

Der Beitritt soll dem Schweizerischen Bundesrat schriftlich mitgeteilt werden und wird sechs Monate nach dem Zeitpunkt, an dem ihm die Mitteilung zugegangen ist, wirksam.

Der Schweizerische Bundesrat soll die Beitritte allen Mächten zur Kenntnis bringen, in deren Namen das Abkommen unterzeichnet oder der Beitritt erklärt worden ist.


 

Die in den Artikeln 2 und 3 vorgesehenen Situationen verleihen den vor oder nach Beginn der Feindseligkeiten oder der Besetzung hinterlegten Ratifikationsurkunden und abgegebenen Beitrittserklärungen von den am Konflikt beteiligten Parteien sofortige Wirkung. Der Schweizerische Bundesrat soll Ratifikationen oder Beitritte der am Konflikt beteiligten Parteien auf dem schnellsten Wege bekanntgeben.


 

Jeder Hohen Vertragspartei steht es frei, das vorliegende Abkommen zu kündigen.

Die Kündigung ist dem Schweizerischen Bundesrat schriftlich anzuzeigen, der sie den Regierungen aller Hohen Vertragsparteien bekanntgibt.

Die Kündigung wird ein Jahr nach ihrer Anzeige an den Schweizerischen Bundesrat wirksam. Die angezeigte Kündigung bleibt jedoch, wenn die kündigende Macht in einen Konflikt verwickelt ist, solange unwirksam, als der Friede nicht geschlossen wurde und auf alle Fälle solange, als die Aktionen nicht abgeschlossen sind, die mit der Freilassung, Heimschaffung und Wiederansiedlung der durch das vorliegende Abkommen geschützten Personen in Zusammenhang stehen.

Die Kündigung gilt nur in bezug auf die kündigende Macht. Sie hat keinerlei Wirkung auf die Verpflichtungen, welche die am Konflikt beteiligten Parteien gemäss den Grundsätzen des Völkerrechts zu erfüllen gehalten sind, wie sie sich aus den unter zivilisierten Völkern feststehenden Gebräuchen, aus den Gesetzen der Menschlichkeit und aus den Forderungen des öffentlichen Gewissens ergeben.


 

Der Schweizerische Bundesrat wird das vorliegende Abkommen beim Sekretariat der Vereinten Nationen eintragen lassen. Er wird das Sekretariat der Vereinten Nationen ebenfalls von allen Ratifikationen, Beitritten und Kündigungen, die er in bezug auf das vorliegende Abkommen erhält, in Kenntnis setzen.

Zu Urkund dessen haben die Unterzeichneten nach Hinterlegung ihrer entsprechenden Vollmachten das vorliegende Abkommen unterzeichnet.

Gegeben in Genf am 12. August 1949 in französischer und englischer Sprache. Das Original ist im Archiv der Schweizerischen Eidgenossenschaft zu hinterlegen. Der Schweizerische Bundesrat soll jedem der unterzeichnenden und beitretenden Staaten eine beglaubigte Abschrift dieses Abkommens übermitteln.

(Es folgen die Unterschriften)


Anhang I

Entwurf einer Vereinbarung über Sanitäts-
und Sicherheitszonen und -orte

 

Die Sanitäts- und Sicherheitszonen sind ausschliesslich den in Artikel 23 des Genfer Abkommens vom 12. August 19491 zur Verbesserung des Loses der Verwundeten und Kranken der bewaffneten Kräfte im Felde und in Artikel 14 des Genfer Abkommens vom 12. August 1949 über den Schutz von Zivilpersonen in Kriegszeiten erwähnten Personen sowie dem Personal vorbehalten, das mit der Organisation und der Verwaltung dieser Zonen und Orte und mit der Pflege der dort befindlichen Personen beauftragt ist.

Personen, die innerhalb dieser Zonen ihren ständigen Wohnsitz haben, sind jedoch berechtigt, dort zu bleiben.


1 SR 0.518.12


 

Personen, die sich, in welcher Eigenschaft es auch sei, in einer Sanitäts- und Sicherheitszone befinden, dürfen weder innerhalb noch ausserhalb derselben eine Tätigkeit ausüben, die mit den militärischen Operationen oder mit der Herstellung von Kriegsmaterial in direkter Beziehung steht.


 

Die Macht, die eine Sanitäts- und Sicherheitszone schafft, soll alle geeigneten Massnahmen ergreifen, um allen Personen, die nicht berechtigt sind, sich dorthin zu begeben oder sich dort aufzuhalten, den Zutritt zu verwehren.


 

Die Sanitäts- und Sicherheitszonen sollen folgenden Bedingungen entsprechen:

a.
sie dürfen nur einen geringen Teil des von der Macht, die sie geschaffen hat, kontrollierten Gebietes ausmachen;
b.
sie dürfen im Verhältnis zu ihrem Aufnahmevermögen nur schwach bevölkert sein;
c.
sie müssen von jedem militärischen Objekt und von jeder wichtigen Industrieanlage oder Verwaltungseinrichtung entfernt und frei sein;
d.
sie sollen sich nicht in Gebieten befinden, die aller Wahrscheinlichkeit nach von Bedeutung für die Kriegsführung sein können.

 

Die Sanitäts- und Sicherheitszonen sind folgenden Verpflichtungen unterworfen:

a.
dort befindliche Verbindungswege und Transportmittel sollen nicht, auch nicht im Durchgangsverkehr, für die Beförderung von Militärpersonen und -material benützt werden:
b
sie sollen unter keinen Umständen militärisch verteidigt werden.

 

Die Sanitäts- und Sicherheitszonen sollen durch rote Schrägbänder auf weissem Grund, die an den Umgrenzungen und auf den Gebäuden anzubringen sind, gekennzeichnet sein.

Die ausschliesslich den Verwundeten und Kranken vorbehaltenen Zonen können mit roten Kreuzen (roten Halbmonden, roten Löwen mit roten Sonnen) auf weissem Grund gekennzeichnet werden.

Nachts können sie ausserdem durch angemessene Beleuchtung gekennzeichnet werden.


 

Schon zu Friedenszeiten oder bei Ausbruch der Feindseligkeiten soll jede Macht allen Hohen Vertragsparteien die Liste der Sanitäts- und Sicherheitszonen zustellen, die auf dem ihrer Aufsicht unterstellten Gebiet errichtet sind. Sie soll sie über jede im Verlaufe des Konflikts neu errichtete Zone benachrichtigen.

Sobald die Gegenpartei die oben erwähnte Anzeige erhalten hat, gilt die Zone als ordnungsgemäss errichtet.

Wenn jedoch die Gegenpartei eine durch die vorliegende Vereinbarung gestellte Bedingung als offensichtlich nicht erfüllt betrachtet, kann sie die Anerkennung der Zone unter sofortiger Mitteilung ihrer Weigerung an die Partei, von der die Zone abhängt, verweigern oder ihre Anerkennung von der Einrichtung der in Artikel 8 vorgesehenen Kontrolle abhängig machen.


 

Jede Macht, die eine oder mehrere von der Gegenpartei errichtete Sanitäts- und Sicherheitszonen anerkannt hat, ist berechtigt, eine Prüfung durch eine oder mehrere Spezialkommissionen darüber zu verlangen, ob die Zonen die in dieser Vereinbarung festgesetzten Bedingungen und Verpflichtungen erfüllen.

Zu diesem Zwecke haben die Mitglieder der Spezialkommissionen jederzeit freien Zutritt zu den verschiedenen Zonen und können dort sogar ständig wohnen. Für die Ausübung ihrer Kontrolltätigkeit ist ihnen jede Erleichterung zu gewähren.


 

Sollten die Spezialkommissionen irgendwelche Tatsachen feststellen, die sie als den Bestimmungen dieser Vereinbarung widersprechend betrachten, so sollen sie hiervon sofort die Macht, von der die Zone abhängt, benachrichtigen, und ihr eine Frist von höchstens fünf Tagen setzen, um Abhilfe zu schaffen; sie sollen auch die Macht, welche die Zone anerkannt hat, hiervon in Kenntnis setzen.

Wenn bei Ablauf dieser Frist die Macht, von der die Zone abhängt, der an sie gerichteten Mahnung keine Folge geleistet hat, kann die Gegenpartei erklären, dass sie hinsichtlich dieser Zone nicht mehr durch diese Vereinbarung gebunden ist.


 

Die Macht, die eine oder mehrere Sanitäts- und Sicherheitszonen geschaffen hat, sowie die Gegenparteien, welchen deren Bestehen mitgeteilt wurde, sollen die Personen bezeichnen, die den in den Artikeln 8 und 9 erwähnten Spezialkommissionen angehören können, oder sie durch die Schutzmächte oder andere neutrale Mächte bezeichnen lassen.


 

Die Sanitäts- und Sicherheitszonen dürfen unter keinen Umständen angegriffen werden, sondern sollen jederzeit von den am Konflikt beteiligten Parteien geschützt und geschont werden.


 

Wird ein Gebiet besetzt, so müssen die dort befindlichen Sanitäts- und Sicherheitszonen weiterhin geschont und als solche benützt werden.

Die Besetzungsmacht kann sie indessen anderweitig verwenden, sofern sie das Los der dort befindlichen Personen sichergestellt hat.


 

Diese Vereinbarung ist auch auf jene Orte anzuwenden, welche die Mächte zum gleichen Zweck wie die Sanitäts- und Sicherheitszonen verwenden.

 

Anhang II

Reglementsentwurf betreffend kollektive Hilfe
an Zivilinternierte

 

Die Interniertenausschüsse sind ermächtigt, Kollektivsendungen, für welche sie verantwortlich sind, an alle administrativ ihrem Internierungsort zugeteilten Internierten, einschliesslich der in Spitälern oder Gefängnissen oder andern Strafanstalten befindlichen, zu verteilen.


 

Die Verteilung der Kollektivhilfssendungen soll gemäss den Weisungen der Spender und einem von den Interniertenausschüssen aufgestellten Plan erfolgen. Die Verteilung von medizinischen Hilfssendungen hingegen soll vorzugsweise im Einvernehmen mit den Chefärzten vorgenommen werden; letztere können in Spitälern und Lazaretten von den genannten Weisungen in dem Mass abgehen, in dem es die Bedürfnisse der Kranken erfordern. Innerhalb des so bezeichneten Rahmens soll die Verteilung stets auf gerechte Weise erfolgen.


 

Um die Qualität wie auch die Menge der erhaltenen Waren prüfen und darüber detaillierte Berichte zuhanden der Spender abfassen zu können, sollen die Mitglieder der Interniertenausschüsse ermächtigt sein, sich an die Bahnhöfe und anderen Ankunftsorte von Kollektivhilfssendungen zu begeben, die in der Nähe ihres Internierungsortes liegen.


 

Den Interniertenausschüssen sind die nötigen Erleichterungen zu gewähren, damit sie überprüfen können, ob die Verteilung der Kollektivhilfssendungen in allen Unterabteilungen und Zweigstellen ihres Internierungsortes gemäss ihren Weisungen erfolgt.


 

Die Interniertenausschüsse sind ermächtigt, Formulare oder Fragebögen, die für die Spender bestimmt sind und auf die Kollektivhilfssendungen (ihre Verteilung, die Bedürfnisse und Mengen usw.) Bezug haben, auszufüllen und durch Mitglieder der Interniertenausschüsse in den Arbeitsgruppen oder durch die Chefärzte der Lazarette und Spitäler ausfüllen zu lassen. Diese Formulare und Fragebogen sollen den Spendern ohne Verzug gebührend ausgefüllt übermittelt werden.


 

Um eine geordnete Verteilung von Kollektivhilfssendungen an die Internierten ihres Internierungsortes zu gewährleisten und gegebenenfalls die durch die Ankunft neuer Interniertenkontingente hervorgerufenen Bedürfnisse zu befriedigen, sind die Interniertenausschüsse ermächtigt, ausreichende Lager von Kollektivhilfssendungen anzulegen und zu unterhalten. Zu diesem Zwecke sollen sie über geeignete Lagerhäuser verfügen. Jedes Lagerhaus ist mit zwei Schlössern zu versehen, wobei sich die Schlüssel des einen im Besitze des Interniertenausschusses und jene des anderen im Besitze des Kommandanten des Internierungsortes befindet.


 

Die Hohen Vertragsparteien und insbesondere die Gewahrsamsstaaten sollen im Rahmen des Möglichen und unter Vorbehalt der Bestimmungen betreffend die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln alle Ankäufe erlauben, die auf ihrem Gebiete mit der Absicht getätigt werden, an die Internierten Kollektivhilfssendungen zu verteilen. Gleichfalls sollen sie die Überweisung von Guthaben und andere finanzielle, technische oder administrative Massnahmen erleichtern, die im Hinblick auf solche Ankäufe ergriffen werden.


 

Die vorstehenden Bestimmungen bilden kein Hindernis für das Recht der Internierten, vor ihrer Ankunft an einem Internierungsort oder im Verlaufe der Verlegung kollektive Hilfe zu erhalten, noch beeinträchtigen sie für die Vertreter der Schutzmacht, des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz oder jeder andern, den Internierten Hilfe bringenden und mit der Beförderung dieser Hilfssendungen beauftragten humanitären Organisation die Möglichkeit, deren Verteilung unter die Empfänger mit allen andern von ihnen als gegeben erachteten Mitteln sicherzustellen.

 

Anhang III

Internierungskarte

1. Vorderseite

Portofrei

Zivilinterniertenpost

Postkarte

 

Wichtig

Diese Karte muss von jedem Internierten sofort nach seiner Internierung und jedesmal nach einer Adressänderung infolge Versetzung an einen andern Internierungsort oder in ein Spital ausgefüllt werden.

Diese Karte steht in keinem Zusammenhang mit jener besonderen Karte, die der Internierte seinen Angehörigen zu schreiben berechtigt ist.

 

Zentralauskunftsstelle für geschützte Personen

Internationales Komitee vom Roten Kreuz

2. Rückseiten

 

Deutlich und in Block- buchstaben schreiben!

1. Staatsangehörigkeit

2.

Name:                3. Vornamen (ausschreiben):               4. Vorname des Vaters:

   

5.

Geburtsdatum:   6. Geburtsort:

7.

Beruf:

8.

Adresse vor der Internierung:

9.

Adresse der Angehörigen:

*10.

Interniert am: (oder) Kommend von (Spital usw.)

*11.

Gesundheitszustand:

12.

Gegenwärtige Adresse:

13.

Datum:   14. Unterschrift:

Nichtzutreffendes streichen - Keine weiteren Bemerkungen hinzufügen - Siehe Erklärungen auf der Rückseite.

(Ausmass der Internierungskarte: 10 ´ 15 cm)

Brief

Zivilinterniertenpost

 

A

Strasse und Hausnummer

Bestimmungsort (in Blockschrift)

Provinz oder Departement

Land (in Blockschrift)

(Ausmasse des Briefes: 29 ´ 15 cm)

Korrespondenzkarte

1. Vorderseite

Zivilinterniertenpost

Portofrei

Postkarte

An

Strasse und Hausnummer

Bestimmungsort (in Blockschrift)

Provinz oder Departement

Land (in Blockschrift)

Rückseite

Datum

Nur auf die vorgezeichneten Linien und gut lesbar schreiben.

(Ausmasse der Korrespondenzkarte: 10 ´ 15 cm)

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